Kinostart: 14.08.2014, DVD/BD-Start: 12.01.2015
Nach Komödienkonventionen der öden Art in „Malavita – The Family“ legt Galliens Action-Maître Luc Besson dar, wie Populärkino den Geist anregen kann, wenn es furiose F/X und ein frenetisches High Concept nur exzellent inszeniert. Mit der Kreation einer Wonderwoman, von Scarlett Johansson menschlich unheimlich nahegehend gemimt, übertrifft sich der Franzose selbst und präsentiert seinen besten Beitrag seit vielen Jahren.
Komik, Witz und Humor begleiten die wie die allererste Frau Lucy genannte Heldin, die unschuldig in einen makabren Gewaltalptraum gerät. Sie fällt einem grausamen koreanischen Mobboss (furchteinflößend: „Oldboy“-Star Choi Min-sik) in die Hände, der sie als Versuchskaninchen zum Drogenschmuggel missbraucht und ihr die kristalline ultramarine Designerdroge einoperiert, die nach brutalen Fußtritten ihren Körper flutet.
Eine leichte Beute wird zum Raubtier, ironisch illustriert mit Analogien aus der Tierwelt, derweil die Evolutionsvorlesung eines Professors (Morgan Freeman) erläutert, dass wir nur 10% unserer geistigen Kapazität abrufen. Lucy verdoppelt das und wird kurz vor ihrem Tod 100% durchbrechen – geboren ist das Besson-Action-Babe, das weibliche Superwesen, an dem er seit „Nikita“ arbeitet, Frauenfantasie und Verbeugung in einem.
Besson wechselt auf die Überholspur und verlässt sie nicht mehr: Mit geschärften Sinnen, Körperkontrolle und sich permanent steigernden „Scanners“-Eigenschaften räumt die Ein-Frau-Kampfmaschine mit den Gangstern auf und fliegt nach Paris, um sich altruistisch für die Forschung zu opfern. Das ist nicht nur ein genialer, einfallsreicher Spaß. Lucy fühlt mit ihrer extraordinären Wahrnehmung alles und man fühlt mit ihr mit.
Denn Jonhansson trägt den Film emotional und sehr identifikatorisch, durchläuft fast symphonisch intensiv eine Evolution im Schnelldurchlauf wie in „Her“, bis sie zu einem fremden Alienwesen wird, das sie in „Under the Skin“ war. Nur nicht als kryptisches Kunstkino, sondern als leicht konsumierbarer, geschickter Mainstream, der seine fesche „Matrix“-Actionperformance mit klugen Anregungen zur Denkfähigkeit erweitert.
Was „Akira“ ist und „Transcendence“ hätte sein können, vollzieht die Transformation zum Transhumanismus auf so hippe wie faszinierende und empathische Art. Lucy kämpft gegen das koreanische Überfallkommando, denn die Action ist nun mal das Mittel der Wahl. Parallel dazu reist Besson vom Ursprung des Lebens bis zur Singularität der Intelligenz, ein unbedingt beeindruckender Trip, der die witzigsten Gimmicks visualisiert.
Der Traum der Erkenntnis gipfelt in einer Zeitreise, die in etwa dem Monolith-Moment aus Kubricks „2001“ gleicht, eine gewaltige kosmische Schöpfungstour wie von Olaf Stapledon. Bevor sie per ILM-Effekte zum Computer morpht, hält Lucy Wissenschafts-Koryphäen eine Philosophie-Vorlesung. Was man all dem an mangelnder Plot-Logik auch vorwerfen kann, eins ist es nie: langweilig. Wenn man sich denn einklinken mag.
Am schönsten aber: Weibliche Intelligenz ist auch von männlicher Gewalt nicht zu besiegen.
Ein Gedanke zu „Lucy“