Lunchbox

Ein kleines melancholisches Kinowunder: tiefromantisches, zartbitteres Großstadt-Melodram um zwei Menschen in der Menge.

Lunchbox Cover

The Lunchbox, Ritesh Batra, IN/FR/D 2013
Kinostart: 21.11.2013, DVD/BD-Start: 22.05.2014
Story: Die von ihrem Gatten vernachlässigte Hausfrau Ila aus Mumbai schickt ihm per Dabbawalla-Kurier phänomenales Essen – das durch einen Fehler beim kurz vor der Rente stehenden Versicherungssachbearbeiter Saajan ankommt und eine Brieffreundschaft initiiert, die zwei einsame Seelen einander näher bringt.
Von Caroline Lin

Zunächst wirkt das Spielfilmdebüt des Inders Ritesh Batra mit dem glanzlosen Grau einer Arbeits-Doku über Bürotröten spärlich unterhaltsam. Aber dahinter steckt System: Aus dem eintönigen Alltagseinerlei, das einer lakonischen Komödie Vorschub leistet, erwächst die Sehnsucht nach dem Glück, das sich für so viele in der Millionenmetropole Mumbai nicht erfüllt.

Initiiert durch köstliche Rezepte, entsteht eine Zufalls-Brieffreundschaft, in der sich eine von ihrem Mann betrogene Ehefrau (betörend: Nimrat Kaur) einem zunächst miesepetrigen Misanthropen (stoisch: Altstar Irrfan Khan, „Slumdog Millionaire“) öffnet. Beide spenden sich Trost und Halt, wodurch sich der Witwer dem Leben wieder öffnet.

Ein Märchen, das für feuchte Augen sorgt

„Manchmal fährt der falsche Zug in den richtigen Bahnhof“: sensibel und mit winzigen Gesten tastet sich Batra voran, trifft mit zart-schönem Soundtrack präzis das Essenzielle, wenn das Fernbeziehungs-Traumpaar wehmütig Erinnerungen austauscht und über tief berührende existenzielle Erfahrungen schreibt.

Daseins- und Sinnfragen, Alter, Mut zum Aufbruch, beseelt vom Hoffen auf ein richtiges Leben im bislang so enttäuschenden, werden ehrlich auf den Punkt gebracht. Ein Märchen, das für feuchte Augen sorgt, über im anonymen Gedränge wie in Vidors „Ein Mensch in der Masse“ verlorene Großstadtmonaden, die aus ihrem Trott ausbrechen.

Nach Jahren des Schlummers seinem Herzen folgen

Es ist wie ein Antidot zum überdrehten Bollywood-Quatsch, das realitätsverwurzelt von unerreichbaren Träumen erzählt, dem unstillbaren Hunger nach Liebe und Leben, symbolisiert im Königreich Bhutan als Glücks-Utopie. Fast reglos, aber um so wirksamer hegt Routinier Khan seine verschütteten Gefühle, die im Subplot mit einem weiteren Einsamen, seinem penetrant plappernden Nachfolger, noch mehr Wahrhaftigkeit erlangt: Was es bedeutet, nach Jahren des Schlummers seinem Herzen zu folgen.

Man wünscht beiden von Herzen ein Happy End, dem sich dieses leichte, aber tief berührende, melancholische Melodram versagt. Keiner kauft einen Lottoschein von gestern, lautet Saajans Entschluss, der ein zartbitteres, offenes Ende beschert in diesem Geheimtipp, dem vielleicht schönsten Liebesfilm der Saison.

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