12 Years a Slave

Kompromisslos brutale Anklage gegen die Sklaverei, die zu sehr auf die Oscars zielt, um nachhaltig zu berühren.

12 Years a Slave Cover

Steve McQueen, USA/GB 2013
Kinostart: 16.01.2014, DVD/BD-Start: 16.05.2014
Story: Der Schwarze Solomon Northup lebt als angesehener Bürger mit Frau und Kindern im Staat New York, als ihn trickreiche Menschenhändler entführen, in Ketten legen und mit anderen Leidensgenossen als Sklave nach New Orleans verschiffen. Dort warten auf ihn 12 Jahre unaussprechlicher Qualen.
Von Thorsten Krüger

Schonungslos demonstriert Steve McQueen („Shame“) mit unerbittlichem Historiensozialrealismus der gehobenen Art, was es bedeutet, ein Sklave zu sein und durch körperliche und seelische Folter entmenschlicht zu werden. Eine unsentimental naturalistische Anklage, eindringlich und authentisch gespielt. Ehrfurcht-Pflicht für Kritiker, eingebaute Oscar-Garantie, mutige US-Vergangenheitsbewältigung, Fall abgeschlossen?

So einfach ist es nicht: Basierend auf der Autobiografie Solomon Northups von 1853, einem der ersten Bücher über Sklaverei, entwirft der Brite eine kompromisslose Leidensgeschichte, wie sie sich kein Amerikaner trauen würde. Vielleicht dient „Django Unchained“ als Impulsgeber, diese ohne jede Kostümnostalgie unterbreitete, schockierende Gewalterfahrung als Martyriums-Epos zu entfalten. Das aber doch auch Hollywood-Theater ist.

Qualen und (viele) Tränen bleiben auf zu großer Distanz

So sehr sich McQueen um eine historische Zeitgenossenmoral statt Betroffenheitsgetue aus heutiger Sicht bemüht, so idealisiert er die Nordstaaten und verdammt die Südstaaten. Er entsagt sich fast jeglicher Melodramatisierung und müht sich so seriös und nüchtern, dass die Qualen und (vielen) Tränen von Chiwetel Ejiofor auf zu großer Distanz bleiben. Sein Schicksal soll verstören – was es auch weidlich tut.

Diese Stärke – wie in einem KZ- oder Gulag-Drama wird Solomon Teil eines sadistischen Systems, das jede Menschlichkeit abtötet – ist auch eine Schwäche: Die Folterungen sind dermaßen unerträglich, die Facetten des Missbrauchs, besonders bei einer weiblichen Mitgefangenen, so abstoßend, die Selbstherrlichkeit der faschistischen Sklavenhalter so magenumdrehend, dass alles nach Revanche, Genugtuung, Gerechtigkeit schreit.

Alles schreit nach Revanche, Genugtuung, Gerechtigkeit

Genau die verwehrt uns McQueen selbst noch mit der arg unspektakulären Befreiung, initiiert durch einen Abolitionisten (Brad Pitt verficht wieder wie Menschenrechte): Es bleibt nur Frust und Wut über so viel Unrecht, das einfach in der Welt ohne Ausgleich bestehen bleibt. Erkenntnis: Sklaverei ist ein grauenvolles Übel – ja, wer hätte das gedacht? An denkbar eindeutigen Aussagen mangelt es wahrlich nicht.

Obendrein fehlt dem historisierenden Ansatz der große Bogen in die Gegenwart. Die Verschleppung kann man noch mit CIA-„Renditions“ von Terrorverdächtigen assoziieren. Ein Ostarbeiter unter Nazi-Besatzung dürfte das Leben wie ein Stück Vieh in Angst wiedererkennen. Aber Menschenhandel heute? Dass es mehr Sklaven als je zuvor in der Geschichte gibt? Da ist mir eine beklemmende Elegie wie „Eden“ lieber.

Traut sich nicht, zur durchaus vorhandenen Manipulation zu stehen

New Orleans 1841, Katar 2013: Ob ein Öl-Scheich, vielleicht ein Monstrum wie Michael Fassbender als Master, sich das anschauen wird? Und danach seine pakistanischen Sklaven weniger brutal misshandelt? Wenn Fassbender die Bibel als Rechtfertigung für seine Folter nutzt, zeigt sich wieder, dass die frommsten Menschen die grausamsten bigotten Schinder sind. Gott behüte uns vor der Religion, möchte man sagen.

Was uns das über religiös fundierte, faschistoide Züge der Herrenmenschen in den Golfstaaten, einschließlich des künftigen WM-Lands, sagen könnte, müssen andere Filme klären, die leider noch keiner gewagt hat. Davon abgesehen: Trotz Anleihen bei Primo Levi mangelt es McQueen an Wucht. Und seine Geschichtsaufarbeitung traut sich einfach nicht, zu ihrer – durchaus vorhandenen – Manipulation zu stehen. Als äußerst unangenehme Erfahrung, wie man sich als Sklave fühlt, ist sie unübertrefflich, in emotionaler Involvierung nur durchschnittlich.

4 Gedanken zu „12 Years a Slave“

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