Kompetent-furchterregender Indie-Horrorthriller um eine Reportage, die erst Altersdemenz, dann okkultes Grauen dokumentiert.
aka The Taking of Deborah Logan, Adam Robitel, USA 2014
ohne deutschen Start
Story: Als bei Deborah Logan Alzheimer im Frühstadium diagnostiziert wird, zieht Tochter Sarah ein, um sie in ihrem Haus in Virginia zu pflegen. Das Geld, das ihr das Uni-Filmteam von Mia für eine Doku über die Krankheit gibt, benötigt sie dringend. Doch Deborah entwickelt eigenartige, bedrohliche Symptome.
Von David McAllan
Von Dämonen werden am liebsten junge Mädchen (wie gerade erst in „Grace“) oder jene besessen, die an ihrer Existenz ostentativ zweifeln („The Possession of Michael King“). Nicht nur darin unterscheidet sich das seinen Found-Footage-Material-Mix atmosphärisch und in ruhiger Bildqualität einsetzende Debüt von Adam Robitel (Darsteller bei „2001 Maniacs“) als ein dokumentarischer Thriller mit Okkult-Wende.
„Carrie“ und „Der Exorzist“ verbünden sich zu einem technisch perfekten übernatürlichen POV-Psychohorror mit Alexia Fast.
Grace, aka Grace: The Possession, Jeff Chan, USA/CDN 2014
DVD/BD-Start: 27.11.2014
Story: Ihre Mutter Mary verstarb beim Notkaiserschnitt, ihr Vater ist unbekannt – so wächst Waisenkind Grace bei Großmutter Helen auf, die ihr Bibeltreue einprügelt und sie aus dem College nimmt, als die unbedarfte 18-Jährige mit Teufelsvisionen auf einer Party kollabiert. Gegen die sind auch Priester machtlos.
Von Thorsten Krüger
Elijah Wood machte es als „Maniac“ vor, Teilzeit-Scream-Queen Alexia Fast („The Captive“, „Fido“) zieht nach und Debütant Jeff Chan hat mit seinen Videogame-Clips zu „Call of Duty“ das technische und handwerkliche Rüstzeug, um nach 10 Minuten Laufzeit mit der Kamera in die subjektive Perspektive einer verhuschten Hysterikerin und Schwester „Carries“ zu wechseln, was bekannten Motiven eine originelle Note gibt.
Nicole Kidman überzeugt ungeschminkt in einem häuslich-privaten „Memento“-Psychothriller, in dem Wahrheit schmerzt und Lüge tötet.
Before I Go to Sleep, Rowan Joffe, GB/F/S 2014
Kinostart: 13.11.2014, DVD/BD-Start:26.03.2015, DVD/BD-Start: 26.03.2015
Story: Jeden morgen erwacht Christine und hat den Tag zuvor vergessen. Stets ist sie schockiert, wenn ihr Ben erklärt, dass sie kein Single Mitte 20, sondern 40 ist und mit ihm seit 14 Jahren verheiratet. Dann ruft ihr Therapeut Dr. Nash an und erinnert sie an ihr heimliches Videotagebuch, das Ben als Lügner entlarvt.
Von Gnaghi
Die von Ridley Scott produzierte Adaption des namensgleichen britischen Thrillerbestsellers (von Steve Watson 2011 verfasst), besucht Christopher Nolans „Memento“-Terrain wie eine unaufdringlich-bedachte, dunkle Ausgabe der Konzept-Komödie „50 erste Dates“. In perfekter Rhythmik enthüllt Rowan Joffe viele kleine und schließlich einen heftigen Twist, was die Identitäts-Mystery zum abgründigen Psychothriller zuspitzt.
Universe of Love: Christopher Nolans kühnes Sci-Fi-Epos um die Rettung der Menschheit ist der Film des Jahres.
Christopher Nolan, USA/GB 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 31.03.2015
Story: Auf einer dem Untergang geweihten Erde entdeckt Ex-NASA-Pilot und Farmersvater Cooper ein Geheimprojekt der Weltraumbehörde, die ihn für einen verzweifelten Versuch anwirbt, mit einer Wurmloch-Mission einen fremden Planeten zur Besiedlung zu finden. Dafür muss Cooper seine Tochter Murphy verlassen.
Von Thorsten Krüger
Im Kern handelt Nolans starbesetzter Autorenfilm im Blockbusterformat vom Überlebensinstinkt und anderen Wesenszügen der menschlichen Natur. In der sich im Science-Fiction-Gewand von „2001 – Odyssee im Weltraum“ kleidenden spirituellen Fantasy-Zeitreise to infinity and beyond verkündet eine epochale, mehr als alle Nolan-Erfolge zuvor emotional überwältigenden Symphonie: Liebe hält unser Universum zusammen.
Keeping the Faith: Die Befreiung zweier Pferde aus dem tiefsten Eis war 2008 ein wahres Weihnachtsmärchen in Kanadas Medien.
The Horses of McBride, Anne Wheeler, CDN 2012
DVD/BD-Start: 19.01.2015
Story: Kurz vor Weihnachten 2008 hat der vor dem Ruin stehende Familienvater Matt einen Käufer für seine Farm in McBride am Fuße der Rocky Mountains gefunden, sehr zum Frust seiner Tochter Nicky. Als ihre Brüder zwei im Schnee gefangene Pferde in den Bergen finden, will die junge Frau sie unbedingt retten.
Von Sir Real
Kleinmädchenkitsch auf K&S? Keineswegs! Für den deutschen Schmalztitel „Ruf der Pferde – Ein Mädchen folgt seinem Herzen“ können wir ja nichts. Das Original klingt mit „The Horses of McBride“ schon seriöser. So ist auch Anne Wheelers TV-Verfilmung geworden, der es gelingt, die realen Ereignisse von 2008 in McBride (fast) kitschfrei zu einem herzbewegenden Durchhalte-Mutmacher zum Weihnachtsfest auszuschmücken.
Ein Mann wird gejagt: Im erst zweiten Spielfilm nach seinem erfolgreichen Schulhorrorthriller „Death Bell“ von 2008 unternimmt der ehemalige Musikvideoregisseur Yoon Hong-seung, der sich der Einfachheit halber Chang nennt, den seltenen Fall eines Asien-Remakes einer französischen Thrillerhatz, Fred Cavayés wendungsreich-atemlosen „Point Blank – Aus kurzer Distanz“, der 2011 auf dem Fantasy Filmfest lief. Wie eine andere kürzliche Fernost-Fassung eines okzidentalen Originals, die Samurai-Moritat „The Unforgiven“ nach Eastwoods „Erbarmungslos“, weiß auch die südkoreanische Interpretation einer gallischen Verfolgungsjagd ihre Akzente zu setzen und Cavayé knapp auszustechen.
Betrachtungen der Spezies (Allzu)Mensch: Roy Anderssons surreale Tragikomödie über das Scheitern ist ganz großes Kunstkino.
En duva satt på en gren och funderade på tillvaron, aka A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence, Roy Andersson, S/D/N/F 2014
Kinostart: 01.01.2015
Story: Die deprimierten Sam und Jonathan sind Vertreter für Scherzartikel, mit denen sie helfen wollen, Spaß zu haben. Aber keiner der kummervollen Göteborger Kunden hat daran Interesse und die beiden Pechvögel stecken tief in den Schulden. Derweil geht selbst König Karl der XII. vor die Hunde.
Von Thorsten Krüger
Der Gewinner des Goldenen Löwen verkauft philosophische Scherzartikel, bezahlt sie mit Küssen und tritt Lachsäcke tot: Der finale Teil von Anderssons Trilogie über das Menschsein schließt nach dem schwächeren „Das jüngste Gewitter“ wieder an die kuriose Klasse von „Songs from the Second Floor“ an und entwickelt wie dieser Geniestreich eine Stimmung, die einen nicht mehr los lässt. Und hin und wieder gurrt eine Taube.
Jason Reitmans zeitdiagnostische Ensemble-Dramödie wird zum generationenübergreifenden Sittenbild eines Dutzends Vorstadtamerikaner.
Men, Women & Children, Jason Reitman, USA 2014
Kinostart: 11.12.2014, DVD/BD-Start: 30.04.2015
Story: Tim hat das Highschool-Football-Team quittiert, spielt Online-Games und beginnt eine Beziehung mit Mitschülerin Brandy, was deren hyper-protektive Mutter via Totalüberwachung verhindert. Andere Schüler sind ruhm- oder magersüchtig, Väter sexuell frustriert, Mütter auf der Suche nach einem Lover.
Von Caroline Lin
Sein hinreißend melodramatischer „Labor Day“ war nur ein Exkurs in klassische Fach. Der Regisseur von „Juno“ und „Up in the Air“ nimmt sich wieder kulturkritisch den Zeitgeist vor, als mehrere nahtlos miteinander verwobene Fallstudien über die Porno-Gesellschaft, über Eltern und Teeniekinder, die essgestört, pornogeschädigt, onlinespielsüchtig, sms-wütig oder sonst irgendwie pathologisch verhaltensauffällig sind.
Liv Lisa Fries verbringt zehn Tage auf einer Spuk-Burg im teutonischen Found-Footage-Horror nach bekannten Mustern.
Daniele Grieco, D 2014
Kinostart: 31.10.2014, DVD/BD-Start: 30.10.2015
Story: Markus nimmt seine Freundin Rebecca mit auf einen Überraschungsausflug. Mit seinem Kumpel Lukas verbringen sie eine Woche unbefugt auf der leerstehenden Burg Hohnau, dem angeblich verfluchten Schauplatz eines Familienmordes. Anthropologie-Student Markus erhofft sich Einsichten zu Übernatürlichem.
Von Jochen Plinganz
Das Originellste an Daniele Griecos zweitem Regie-Gig ist die Herkunft des Indie-Horrors sowie eine clevere Online-Kampagne, die dafür selbstbewusst nicht als ein, sondern der deutsche Horrorfilm wirbt. Was angesichts zwar nur vereinzelter Exemplare der letzten Jahre wie Marvin Krens „Rammbock“ und „Blutgletscher“, dazu „Der letzte Angestellte“ oder „Urban Explorer“ nicht stimmt. Ganz zu Schweigen von Österreich.
Seelische Abgründe in verträumtem 80er-Hochglanz: Shailene Woodley in einer freizügig-komischen Coming-of-Age-Mystery.
White Bird in a Blizzard, Gregg Araki, F/USA 2014
DVD/BD-Start: 07.08.2015
Story: Eine US-Vorstadtsiedlung im Herbst 1988. Von einem Tag auf den anderen verschwindet Eve, die zuletzt schwer erträgliche Mutter der 17-jährigen Kat, spurlos. Als die polizeilichen Ermittlungen nichts ergeben, beginnt Kat eine Affäre und entwächst ihrem Umfeld. Nur Eves Geheimnis bleibt verborgen.
Von Thorsten Krüger
In seiner bislang reifsten Leistung stellt US-Indie Auteur und New-Queer-Cinema-Begründer Gregg Araki („Mysterious Skin“) zu genießerischem 80er-Look und sanften Synthiepophymnen sein Lieblingssujet vor, das sexuell freizügige Erwachsenwerden. Er verbindet Teen-Fantasien mit harten Gefühlsrealitäten zur extravaganten „Twin Peaks“-Version, aus der er High Camp und Komik kitzelt und dennoch das Authentische wahrt.
Wer sich über den vor einigen Tagen auf Video gestarteten „Jinn“ aufregt, hat Tobe Hoopers inhaltlich ähnlichen und mit „Djinn“ fast identisch betitelten Geistergrusler über den antiken arabischen Dämon noch nicht gesehen. Der kürzlich erfolgte Jubiläumskinostart von „Texas Chainsaw Massacre“ ruft in Erinnerung, dass Hooper bereits seit 40 Jahren im Regiegeschäft tätig ist; angesichts dieser uninspirierten TV-Schauermär schwer vorstellbar, wie die Variety bestürzt anmerkt. Aber bei dem Script von David Tully („Hepzibah“) sind Hopfen und Malz von vornherein verloren.
Stilistisch und darstellerisch furios: Alejandro González Iñárritu mixt Meta-Showbiz-Satire mit Theater-Künsterkomödie.
Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance), Alejandro González Iñárritu, USA 2014
Kinostart: 29.01.2015, DVD/BD-Start: 11.06.2015
Story: 20 Jahre nach seinem Ruhm als Superheldendarsteller will sich der bankrotte Darsteller Riggan Thomson mit einem Raymond-Carver-Stück am Broadway neu erfinden. Die Vorbereitungen verlaufen chaotisch, ein Method Actor mit Riesen-Ego, Geliebte, Tochter, Ex und eine Kritikerin sind der Stoff für Alpträume.
Von Thorsten Krüger
Ein Fegefeuer der Eitelkeiten zwischen Fantasy und Existenzialismus bringt das mexikanische Regiewunderkind, der bisweilen überschätze Iñárritu („Amores Perros“, „Babel“), in seinem ersten komischen Werk an. Das ist satirisches Spiegelvorhalten und frenetische Liebeserklärung an das Schauspielmetier gleichermaßen – nicht so giftig-pervers wie „Maps to the Stars“ oder ungeschminkt-wahrhaftig wie „Die Wolken von Sils Maria“.
Laura Poitras, D/USA 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 08.05.2015
Citizenfour. So lautet der Tarnname, unter dem Whistleblower Edward Snowden die in Berlin lebende Dokumentarfilmerin Laura Poitras kontaktierte. Sie schließt mit der Chronik seines Treffens mit den Guardian-Journalisten Glenn Greenwald und Ewan MacAskill in einem Hongkonger Hotel ihre Trilogie über Amerika nach dem 11. September („My Country, My Country“, „The Oath“) ab und legt die ungeheuerlichen Straftaten der Obama-Regierung offen.
Oft aufrüttelnd, bisweilen durchwachsen: Alexander Fehling in einem Justizkrimi um das Schweigeklima vor den Auschwitz-Prozessen 1963.
Giulio Ricciarelli, D 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 21.05.2015
Story: 1958. Nur mit Deckung seines Chefs Fritz Bauer und Hilfe eines FR-Reporters beginnt der mit Verkehrsdelikten betraute junge Frankfurter Staatsanwalt Johann Radmann im Fall eines unbehelligt lehrenden Auschwitz-Aufsehers zu recherchieren. Er stößt auf 8000 SS-Täter und eine ganze Mordmaschinerie.
Von Thorsten Krüger
Ohne Auschwitz (Besuch inklusive) als zentraler Gräuelmythos geht nichts im deutschen Vergangenheitsbewältigungsgenre, als dessen gehobener und historisch akkurater Vertreter Giulio Ricciarellis Debütarbeit einen Grünschnabel gegen alle Widerstände den Horror des Holocaust entdecken lässt. Das Porträt der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft formt sich teils zum fesselnden Justiz- und Politthriller der Adenauer-Ära aus.
Wild, roh, rau, unbekümmert: Donovan Marshs südafrikanischer Indie-Heist-Thriller ist ein waschechter Actiongeheimtipp.
iNumber Number, aka Avenged, Donovan Marsh, ZA 2013
DVD/BD-Start: 03.11.2014
Story: Der von seinem korrupten Chef um die verdiente Belohnung geprellte, bis dahin gesetzestreue Cop Chili infiltriert die berüchtigte Bande von Gangsterboss Mambane, der einen Überfall auf einen Geldtransporter vorbereitet. Chili will abkassieren, aber sein Partner Shoes fällt Mambane als Geisel in die Hände.
Von Gnaghi
Der für wenig Geld im kriminalitätsverseuchten Johannesburg und Soweto entstandene, vitale Actionthriller von dem zuvor mit den beiden Internatskomödienteilen „Spud“ bekannt gewordenen Südafrikaner Donovan Marsh ist ein schmuddelig-spannender Reißer, so grimmig wie unterhaltsam. Ein Township-Knüller, wie es „Zulu“ gern gewesen wäre, ohne dessen Polit-Überbau, allein mit Schweiß, Schmutz und Waffen.
Liebe ist kein Verbrechen – außer man war homosexuell und unterlag in Deutschland dem erst 1994 endgültig gestrichenen Paragraf 175 (oder lebt heute in Serbien oder Russland). In der liberaleren Schweiz immerhin gab es im mondänen Zürich von 1943-1967 die Kunst- und Literaturzeitschrift „Der Kreis“, die große Bedeutung für die Homosexuellenbewegung der Nachkriegszeit erlangte. Ihre Historie – anhand der Liebesgeschichte eines damit verbundenen Paares – erzählt Stefan Haupt („Elisabeth Kübler-Ross“) aus finanziellen Gründen notgedrungen als Doku-Drama.
Die spanisch-bulgarische B-Zukunftsvision mit Antonio Banderas entwirft einen interessanten, pessimistischen Future Noir.
Gabe Ibáñez, E/BG 2014
DVD/BD-Start: 17.04.2015
Story: 2044 haben Sonnenstürme die Erde verstrahlt und die Menschheit dezimiert. Während seine Frau hochschwanger daheim sitzt, untersucht Versicherungsagent Jacq einen zerschossenen Roboter und muss mit dem sich selbst reparierenden Exemplar Cleo vor Killer Wallace in die lebensfeindliche Wüste fliehen.
Von Caroline Lin
Nach seinem ausbaufähigen Debüt, dem Mysterythriller „Hierro“, findet F/X-Experte Gabe Ibáñez zu einem intellektuell reizvollen Zukunftsentwurf, der eine „Blade Runner“-Nacht in „Elysium“-Schrott-Slums ausruft, dies gleichwohl differenzierter als Konsorten anpackt. Visuell und finanziell ist das pessimistische SciFi-Drama ansehnlich, dramaturgisch aber defizitär, was sich in inadäquaten Thrillerambitionen niederschlägt.
Das Samurai-Western-Remake von Clint Eastwoods „Erbarmungslos“ ist ein stimmungsvoll bebilderter, tragischer Epochen-Abgesang.
Yurusarezaru mono, Lee Sang-Il, J 2013
Kinostart: 04.12.2014, DVD/BD-Start: 02.04.2015
Story: 1880. Nach dem Ende des Shogunats lebt der alternde Ex-Samurai Jubei zurückgezogen als Bauer, als ihn sein Kamerad Kingo um Beistand bittet, für Kopfgeld zwei Siedler zu töten, die einer jungen Prostituierten das Gesicht zerschnitten haben. Aber der sadistische Kleinstadt-Sheriff Ichizo demütigt sie brutal.
Von Thorsten Krüger
West-östliche Wechselwirkungen: Akira Kurosawa, ein großer Bewunderer von John Ford, wurde durch die US-Remakes seiner Werke „Yojimbo“ („Für eine Handvoll Dollar“) und „Die sieben Samurai“ („Die glorreichen Sieben“) geadelt. Nun geht der Kultur-Transfer zurück nach Nippon, in einer originalgetreuen und doch mit japanischer Geschichte ergiebig gefüllten Neufassung von Eastwoods vierfachen Oscargewinner von 1992.
„Harry Potter“ Daniel Radcliffe wachsen über Nacht Hörner und er spricht wieder mit Schlangen. Womit er zum Teufelskerlchen, aber leider nicht zum heißen „Hellboy“ mutiert, sondern die Trauertrompete bläst und in seiner Kleinstadt als Paria von allen verteufelt wird. Auch wenn er sich in „Die Frau in Schwarz“ besser zu präsentieren wusste: Radcliffes Iggy ist so ziemlich der einzige Charakter, der einem nicht egal ist in Horror-Impresario Alexandre Ajas („High Tension“) amerikanisch-kanadischer Adaption des Dark-Fantasy-Romans „Teufelszeug“ von Joe Hill (der Sohn von Stephen King). Ig, der neben der Leiche seiner Freundin Merrin (der sonst so bezaubernden Juno Temple, zuletzt als Feenstimme in „Maleficent“ tätig, fehlt der Pfiff) aufwacht, hat eine Murder Mystery zu lösen und die ganze Stadt gegen sich.
Exzellent gespielt, tief bewegend, legendenfrei: Das Biopic über den gelähmten Wissenschaftler Stephen Hawking ist ein Oscarkandidat.
The Theory of Everything, James Marsh, GB 2014
Kinostart: 25.12.2014, DVD/BD-Start: 07.05.2015
Story: Als sich der Cambridge-Student Stephen Hawking 1963 in seine Kommilitonin Jane Wilde verliebt, erreicht den nur 21-jährigen Astrophysiker die erschütternde Diagnose, binnen zwei Jahren an einer Nervenlähmung zu sterben. Beide heiraten und Hawking arbeitet an seiner Theorie über die Geburt des Universums.
Von Caroline Lin
Dem Briten James Marsh („Man on Wire“) gelingt ein veritabler Drahtseilakt bei der Adaption von Jane Hawkings Memoiren, die eine herzzerreißende Lovestory, aber auch das schwierige Scheitern ihrer Ehe mit dem bedeutendsten (und bekanntesten) lebenden Astrophysiker unserer Zeit darlegt. Die maßvoll-bescheidene Regie lässt die beiden fantastischen Darsteller aufblühen und die Biografie wahrhaft leuchten.
Hochkarätiges Schauspiel-Entertainment: ein sentimental-humorvolles Familiendrama im Korsett eines Justizthrillers. Hollywood pur!
The Judge, David Dobkin, USA 2014
Kinostart: 16.10.2014, DVD/BD-Start: 26.02.2015
Story: Widerwillig reist der in Scheidung lebende, aalglatte Großstadtwinkeladvokat Hank – Markenzeichen: skrupellos schuldige Verbrecher vertreten – in die Provinzheimat zur Beerdigung seiner Mutter zurück. Wo er seinen herrischen Vater, den unter Mordverdacht stehenden Richter, verteidigen muss.
Von Thorsten Krüger
David Dobkin kennt man für Komödien wie „Die Hochzeits-Crasher“ und auch sein Wechsel ins seriöse Fach birgt einige Komik, was zusätzliches Entertainment bedeutet. Aus dem Korsett eines Justizthrillers wie aus der Feder von John Grisham („Die Jury“) entschlüpft die humorvolle Zusammenführung einer (Männer)Familie mit den Ingredienzien eines Tennessee-Williams-Dramas („Die Katze auf dem heißen Blechdach“).
In der von Pedro Almodóvar produzierten argentinische Anthologie unterbreitet der aus der Provinz Buenos Aires stammende Damián Szifrón („Tiempo de valientes“) sechs Segmente, die als finstere Komödie das Groteskgeschehen illustrieren, das sich ergibt, wenn mehr oder minder normale Menschen ihre Wut ungezügelt ausleben. Die nicht miteinander verwobenen Episoden sind als eigenständige Kurzfilme aufgereiht, die studieren, wie Zorn und Rachegelüste in eine charakteristische Eskalationsdramaturgie ausufern, die Moral und Gesetz sprengt.