Kinostart: 24.05.2018
„Euphoria“, die nach „Die innere Schönheit des Universums“ und „Hotell“ bereits dritte Kooperation zwischen der schwedischen Oscargewinnerin Alicia Vikander (aktuell in „Tomb Raider“) und ihrer Landsfrau Lisa Langseth, kann sich sehen lassen: Reifes Euro-Arthaus-Kino, das Menschen und Themen ernst nimmt, Konflikte, Werte- und Moralfragen erwachsen behandelt und auf die berührenden Leistungen zweier Aktricen vertraut.
Obwohl das Sterbehospiz, eine Luxus-Residenz im Grünen, als abseits des Urteils der Welt vorgestellt wird, liegt der Fokus keineswegs auf dem Für-und-Wider-Diskurs praktizierter Sterbehilfe. Langseth geht sehr bewegend den gleichen Weg wie ihn „Und morgen Mittag bin ich tot“ und „Meine Schwestern“ beschritten. Mehr noch als diese ist „Euphoria“ in eine ruhige, unaufgeregte Form gegossen, weder skandalisierend noch verklärend.
In einem hochemotionalen, oscarwürdigen Auftritt zeigt Eva Green („Casino Royale“, „Salvation“) endlich wieder einmal, was sie kann. Als vom Brustkrebs Gezeichnete ist der seelische Schmerz dieser Frau, die sich schonungslos ein Niemand nennt, ergreifend, ihre ungelebten Träume rühren zu Tränen. Diese Offenheit wirkt nie exhibitionistisch, sondern ehrlich, intim und vertrauensvoll. Derweil treffen heftige Wortgefechte tief.
„Du bist kein Mensch. Du bist eine Maschine.“ Die Konflikte, die beide Schwestern trennen wie schicksalhaft verbinden, tangieren Tabus, über die zu lange geschwiegen wurde. Langseths Drehbuch bürdet ihnen nie zu viel Probleme auf, sondern lässt sie diese biografischen Einschnitte, die zwischen ihnen stehen, jede auf ihre Art bewältigen. Eklatante Gegensätze treten zutage, wenn sie über Leben, Tod, Sinn, Glück und Seelenfrieden reden.
Dann zeigt sich, warum Vikanders Charakter so verschlossen, verbissen, abweisend und einzelgängerisch ist, wieso sie so empört und vorwurfsvoll reagiert. Sie wandelt sich nicht durch Plotpoints, sondern schmerzliche Einsichten und graduelle Veränderungen. Ihr Komplementär Green, die liebend und gelöst, zugleich höchst verzweifelt und lebens- wie liebeshungrig ist, durchlebt eine Gefühls-Tour-de-Force in ihren letzten sechs Tagen.
Die anderen Gäste dienen in ihrem untröstlichen Kummer, Selbsthass und ihrer Sehnsucht nach Glück entweder als Spiegel oder Resonanzboden für die beiden Darstellerinnen, deren Emotionen einen beinahe zerreißen wollen. Etwas ab dagegen fällt der lange unnötig undurchsichtige Einsatz des britischen Altstars Charlotte Rampling („Red Sparrow“), die mehr als Katalysator für Vikander fungiert denn echte Dreidimensionalität entwickelt.
„Warum sollte ein Leben plötzlich wichtig werden, nur weil du stirbst?“ Das sind Fragen, die keine einfachen Antworten ermöglichen. Die seelischen Wunden, die sich auftun, die Situation des geplanten Aus-dem-Leben-Scheidens, konfrontieren mit den unangenehmen Daseins-Seiten, denen man sonst gerne ausweicht. Aber „Euphoria“ schaut nicht weg, bleibt dabei, jedoch mit Respekt und Würde, was einfach nur so großartig wie selten ist.
imdb ofdb