Kinostart: 25.10.2018
Zwei Beleidigte, keine Entschuldigung, und schon dreht sich eine Eskalationsspirale, die rasch vor Gericht kommt und anhand zweier stolzer, männlicher Egos in tiefere Schichten religiöser, politischer und sozialer Konflikte vordringt. „The Insult“ vom mit am Drehbuch beteiligten Ziad Doueiri („The Attack“), zeigt Schuld, Traumata und das Ringen um Gerechtigkeit aus einer kaum bekannten Perspektive auf das Pulverfass Nahost.
Als hätten Costa-Gavras (Oscar 1983 für „Vermisst“) und Asghar Farhadi (Oscar 2012 für „Nader und Simin – eine Trennung“) gemeinsam Regie geführt, seziert Doueiri, der bei Tarantino mehrfach als Kameramann übte, präzise, aber weit direkter und zugänglicher als Farhadis depressive Bestandsaufnahme, die elende Situation der Palästinenser aus der Sicht des Nachbarlands Libanon, das 500.000 Flüchtlinge permanent aufnahm.
Als sich ein gerissener Anwalt des Falls annimmt und kräftig Öl ins Feuer gießt, indem er Vorurteile und Hass der christlichen Bevölkerung gegen muslimische Flüchtlinge schürt, greifen die Medien die Fehde auf und spannen die beiden vor den Karren eines schmutzigen Kriegs, der mit harten Bandagen ausgetragen wird und große Opfer fordert. Beider Existenzen stürzen glaubhaft ins Unglück und drohen auf Dauer zusammenzubrechen.
Was bis zurück in das schwere Trauma des libanesischen Bürgerkriegs von 1990 führt. Wunden, die kaum verheilt sind, reißen in „The Insult“ auf: Massaker und ungesühnte Kriegsverbrechen beider Seiten. Doueiri beschreibt eine Kettenreaktion, einen Dominoeffekt, der zwischen öffentlichem Aufruhr und schmerzvoller Vergangenheit immer wieder zarte und berührende menschliche Seiten zeigt: Keiner hier hat ein Monopol auf Leiden.
Das vollzieht sich packend und intensiv, weil die Darsteller, besonders Kamel El Basha als Yasser und Rita Hayek als Tonys schwangere Frau, virtuos die ganze emotionale Bandbreite beherrschen. Die Umstände sind durchaus auf die Flüchtlingssituation in Deutschland übersetzbar. „The Insult“ gelingt es, spannend und menschlich zu bleiben, anders als das Lehrstück „Eine fantastische Frau“, das statt dessen den Auslandsoscar erhielt.
imdb ofdb