Tully

Tully Cover

Jason Reitman, USA 2018
Kinostart: 31.05.2018

„Tully“, die nach „Juno“ und „Young Adult“ nunmehr dritte Kollaboration von Oscarpreisträgerin Diablo Cody und Ivans Sohn Jason Reitman, nimmt sich wieder eine feminine Krise vor, diesmal lebensnäher und ernsthafter als die überbordend skurrilen Vorgänger. In der kleinen Ode an die Maternität (und Kindermädchen) laviert Charlize Theron (schon in „Young Adult“<//span> dabei) beachtlich ungeschminkt und mit Mut zum unvorteilhaften Äußeren wie Inneren haarscharf am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Als zunächst Hochschwangere Marlo, bald darauf Mutter von drei Kindern, eines davon ein therapiebedürftiger Quälgeist, lässt sie sich zu einer Night Nanny überreden. Diese heißt Tully (Mackenzie Davis, „Blade Runner 2049“) und übernimmt bauchfrei, jung und sexy sanft das Kommando: Ordnung hält Einzug ins häusliche Chaos. Der ständigen Überforderung mit den unerquicklichen Widrigkeiten von Schwangerschaft und Kinderwahnsinn wird eine echte Alternative entgegengesetzt.

Sprengt Hollywoods Spießermoral

In dem vielschichtigen Fortgang, den Reitman reduziert und ohne Eile aufzieht, entwickelt sich eine Frauenfreundschaft. Zu entspannter, Flower-Power-verdächtiger Musik reift ein zeitgeistiges, komisches Drama, das Modernismen gleichsam glossiert, in humorfreien Hipsterpärchen (Marlos Bruder und seine Frau) und anderen Pointen genügend Comedy-Resonanzraum findet. Während Cody liebevoll-spöttisch den stressbetonten Mutter-Alltag mit Säugling besingt, sprengt sie zugleich mit Intimbereichen und Sexualtabus Hollywoods Spießermoral.

Die Nanny gleicht einem aus dem Nichts erschaffenen Heilsengel, eine für den restlichen Tonfall von „Tully“ etwas zu märchenhafte „Mary Poppins“, und Therons Figur hält einen emotional moderat auf Distanz, selbst wenn all ihre Sorgen und das Unrepräsentierbare eines Lebens viel entwaffnend ehrlichen Charme haben mögen. Das Ende, als sich abzeichnet, dass es um eine Begegnung in einem Lebensabschnitt geht, verwandelt alles in ein Coming of Age, in einen wohlgemuten Reifungsprozess.

Thorsten Krüger

imdb ofdb

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