Leichen unter brennender Sonne

Kunstvolle, vor allem aber überaus anstrengende Verbeugung vor italienischen Action- und Westernreißern vergangener Genrejahrzehnte

Leichen unter brennender Sonne Cover

Laissez bronzer les cadavres aka Let The Corpses Tan, Hélène Cattet & Bruno Forzani, F/B 2017
DVD/BD-Start: 12.07.2018
Story: In einer Burgruine an der korsischen Küste lebt Malerin Luce mit zwei Lovern unter brütender Sommersonne. Als ein Gangstertrio mit 250 Kilo erbeutetem Gold, kurz darauf zwei Motorradpolizisten und drei vorgebliche Touristen eintreffen, jagen sie sich mit reichlich Waffengewalt gegenseitig die Beute ab.
Von Gnaghi

Mit „Amer“ wurde das belgische Regie-Duo Hélène Cattet & Bruno Forzani 2009 über Nacht berühmt, aber erst mit „Der Tod weint rote Tränen“ vollendeten sie 2013 ihre Hommage an den Giallo mit einem barocken kleinen Meisterwerk. Für ihr drittes gemeinsames Projekt „Leichen unter brennender Sonne“ stehen weitere Genrefilme des Italo-Kinos der 60er und 70er auf den Programm, diesmal jedoch Actionreißer und Western.

Letzterem frönen sie mit mehr Style als Sergio Leone, die dünne, mit viel Blei gestreckte Story aber folgt den Mustern des Poliziottesco, einer reißerischen Unterart des Polizei-/Gangsterthrillers. Die avisierte Action in Form von Schießereien verträgt sich allerdings wenig mit dem heftig dekonstruktivistischem Stil, der alle Film-Elemente in seine Bestandteile zerlegt. Gegen solche Meta-Filme wäre grundsätzlich nichts einzuwenden.

Randvoll mit (Todes)Symbolik

Doch die Close-Up-Manie zwischen Experimentalideen, Kunst-Happening und starkem Zigarettenkonsum trifft nicht jedermanns Kaffeegeschmack. „Leichen unter brennender Sonne“ ist aufgequirlt und randvoll mit (Todes)Symbolik, jedoch ästhetisch deutlich weniger reizvoll als Cattets und Forzanis prächtiger Vorgänger. Er gibt sich prätentiös und bedeutungsvoll, obschon er oft genug banal ausfällt, speziell die prosaischen Dialoge.

Grund dafür ist eine nicht vorhandene Geschichte. Da glänzt die Regie zwar mit aufwändiger Virtuosität, aber diese läuft oft ins Leere, zumal sich ein Spannungsbogen nicht entfalten will. Obendrein stiftet sie mit einer sprunghaften, die Chronologie zerstückelnden Erzählweise eine Menge Verwirrung. Wer wann wen verrät, Pläne durchkreuzt oder schmiedet, wird in zahllosen Variationen so lange überstrapaziert, bis es einem egal ist.

L‘Art pour L‘Art

Man muss „Leichen unter brennender Sonne“ schon als reine L‘Art pour L‘Art betrachten. So bizarr sich auch die fetischisierte Sexualität hineinschleicht, so hymnisch die Musik klingt – teils Originalkompositionen von Ennio Morricone –, so wenig fügt es sich zu einem genießbaren Gesamteindruck. Da war „Der Tod weint rote Tränen“ gleich mehrere Schritte weiter. Hiermit gehen Cattet und Forzani mindestens einen zurück.

imdb ofdb

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