Land der Gewohnheit

Land der Gewohnheit Cover

The Land of Steady Habits, Nicole Holofcener, USA 2018
Streamingsstart: 14.09.2018

Wie in „Genug gesagt“ bleibt Nicole Holofcener eine sensible Beobachterin suburbaner Mittelklasse-Beziehungsgeflechte. Mit „Land der Gewohnheit“, durch dessen Vorstadt-Turf das Echo der (brillanteren) 90er-Jahre-Meilensteine „American Beauty“ und „Der Eissturm“ hallt, ist sie exklusiv bei Netflix gelandet. Gekonnt widersteht sie der Versuchung, zu viel Woody-Allen-Komik einzuflechten oder den Feelgood eines „Little Miss Sunshine“: Sie verteilt bittere und herbe Noten, die bisweilen von leichter Tragik umweht sind.

Wo ihre Kollegin Greta Gerwig hinreißende Frauenporträts wie „Lady Bird“ anfertigt, nimmt sich Holofcener in erster Linie ein Vater-Sohn-Gespann vor, die jedoch beide so lange erratisch, achtlos und verletzend walten, bis sich ihre eklatante Unreife in einer an beschämenden Auftritten reichen Loser-Dramödie niederschlägt. Einerseits ein Vater in den Fünfzigern, der Job und Ehe quittiert hat und statt eines Neuanfangs tief in die selbstmitleidige Midlife-Crisis rutscht, andererseits sein 27-jähriger Filius, der ebenso wenig erwachsen werden will.

Menschen, die das Leben nicht verstehen

„Land der Gewohnheit“ profitiert von den guten Darstellern, Ben Mendelsohn („Rogue One“) und Thomas Mann („Ich und Earl und das Mädchen“). Auch Holofceners Einfühlungsvermögen verhindert, dass man beide als komplette Armleuchter wahrnimmt – wenn auch nur knapp. Eine latente Männerfeindlichkeit angesichts ihres asozialen Agierens bei mentaler respektive physischer Obdachlosigkeit ist spürbar; dennoch hat Holofcener Herz und Mitgefühl für Männer in der Krise. Und der drogensüchtige Spross Bekannter (klasse: Charlie Tahan aus „Super Dark Times“) verbucht kurios besinnliche, seine alkoholsüchtige Mutter (Elizabeth Marvel, „A Most Violent Year“) gar anrührende Momente.

Es gibt genug zu entdecken: verletzte Gefühle, Eifersucht, angefressene Egos, Einsamkeit, Versuche Konventionen zu sprengen, Unverbundenheit, Nicht-loslassen-Können, die Absurdität des Lebens, Überspielroutinen von Traurigkeit. Das alles erzeugt eine Menge Nuancen und Schattierungen, die beinahe vergessen lassen, wie sehr sich „Land der Gewohnheiten“ tonal und dramaturgisch wenig innovativ bis episodisch durchhangelt. Aber das auf einem mehr als achtbaren Niveau über Menschen, die das Leben nicht verstehen und nicht verstehen zu leben.

Caroline Lin

imdb ofdb

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