Kinostart: 08.11.2018
Dass Ulrich Köhler der Lebensgefährte von Maren Ade („Toni Erdmann“) ist, merkt man „In My Room“ am ehesten der lakonischen Tragikomik an, mit der sich im minimalistischen Modus der Berliner Schule zunächst das nicht zukunftsfähige Lebenskonzept eines desorientierten Verweigerers entfaltet. In diese dokumentarische Lebensnähe funkt die Apokalypse, die ihn zum radikalen Neuanfang in einer menschenleeren Welt nötigt.
Out of Herford: Hans Löw, der ebenfalls in „Toni Erdmann“ in Erscheinung trat, gibt eine hervorragende One-Man-Show als Schluffi ab, der als Mittelpunkt die Charakterstudie auf seinen Schultern trägt. Einsilbig und schlechtgelaunt begegnet er einem durch viele Filme populär gewordenem Ereignis, das in „Die Wand“ existenzielle Fragen aufwirft, in „The Quiet Earth“ Science Fiction oder in „I Am Legend“ dystopischen Horror lostritt.
All diesen Kategorisierungen entzieht sich „In My Room“ mühelos. Genreformeln haben keine Geltung. Womit Köhler eine Menge Freiheiten findet, da er keinen festgelegten Abläufen folgen muss. Denn der verschlossene Armin stellt keine Fragen, sondern macht alles im Stillen mit sich aus. Stilistisch vergleichbar mit Köhlers Afrika-Erzählung „Schlafkrankheit“ hat das Ausbleiben einer Suche nach Antworten etwas Anti-Dramatisches.
Dies erweist sich als große Stärke. Mit Einstellungen, die so lange dauern, bis sie wieder richtig gut werden, und ohne Einsatz eines klassischen Soundtracks, ergeben sich postapokalyptische Impressionen, die trotz kleinem Budget unangestrengt selbst anerkannte Erfolge wie „28 Days Later“ atmosphärisch in den Schatten stellen. Ja, „In My Room“ ist in vielerlei Hinsicht so lapidar, dass er schon als unfassbar unspektakulär durchgeht.
Anstatt auf Erklärungen und Lösungen zu drängen, beschränken sich Köhler und sein Drehbuch auf leise Andeutungen, einem entschleunigten Essay über Freiheit und was sie begrenzt (nicht die Welt, sondern man selbst), Heimat, Selbstfindung. Seine Dynamik verläuft raus aus der Großstadt, zurück zur Natur, eine Spielwiese zum Leben, beinahe schon das Paradies, wo Adam Armin einer verqueren italienischen Eva namens Kirsi begegnet.
Ein Beziehungsdrama entspinnt sich, zwischen dem Selbstversorger, der mit seinem Bauernhof-Tieren endlich sesshaft wird, und einer unrettbar Bindungsscheuen. Mitunter nähert sich Köhlers Stil den meditativen Arbeiten von Kiyoshi Kurosawa an, die in ihrer tiefen Ruhe etwas ähnlich Beunruhigendes heraufbeschwören. Doch auch das Grauen ist keine Richtung, die diese volatile Überraschung in der Kinolandschaft lange einschlägt.
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