aka Keepers – Die Leuchtturmwärter, Keepers, aka The Vanishing, Kristoffer Nyholm, GB 2018
DVD/BD-Start: 25.01.2019
Das Flannan Isle Mystery (bei uns als das Rätsel von Eilean Mòr bekannt), bei dem im Jahr 1900 drei Leuchtturmwärter vor der Küste Schottlands spurlos verschwanden, diente bereits als Inspiration für einen Genesis-Song, eine Oper, eine „Doctor Who“-Folge und nun auch für das Spielfilmdebüt des dänischstämmigen TV-Regisseurs Kristoffer Nyholm, der sich an seiner Erfolgsserie „Taboo“ orientiert und mit „Keepers“ wieder Düster-Historisches auflegt, das sich sowohl als brodelnder Thriller wie auch als menschliches Drama auszeichnet.
Story: Gelegenheitsarbeiter Osamu bringt seine Angehörigen mit Ladendiebstählen durch, bei denen sein junger Sohn Shota mithilft. Als sie in einer kalten Winternacht die kleine Suri auflesen, nehmen sie das misshandelte Mädchen in ihre 5-köpfige Familie auf, die als bunter Trupp Lebenskünstler zusammenhält.
Von Sir Real
Cannes-Regular und verdienter Gewinner der Goldenen Palme 2018, Hirokazu Koreeda („Unsere kleine Schwester“), legt mit „Shoplifters“ eine fabelhafte Erzählung vor, deren subtiler Humanismus zu Tränen rührt – nicht nur, weil er der Versuchung widersteht, auf die Tränendrüse zu drücken. Sondern auch, weil er die Utopie eines ehrlichen, menschlichen Miteinanders von Wahlverwandtschaften vermittelt – in einem sozial kalten Land.
Das japanische Remake eines Korea-Thrillers bietet ungemütliche True-Crime-Spannung um einen Serienmörder als Medienphänomen
22-nenme no kokuhaku: Watashi ga satsujinhan desu, aka Confession of Murder, Yû Irie, J 2017
ohne deutschen Start
Story: 22 Jahre, nachdem seine sadistische Mordserie ganz Japan erschütterte und seine Taten verjährt sind, outet sich Masato als berüchtigter Tokyo Strangler und stellt seine Memoiren vor. Die geraten zum Bestseller – ein Affront für die Hinterbliebenen und Cop Wataru, der den Killer seit langer Zeit erfolglos jagt.
Von Sir Real
Auch Asien kann Remakes (vgl. die vielen Epigonen von „Ringu“). Die Neufassung des südkoreanischen Thrillers „Confession of Murder“ (2012) geriet in Japan gar zum Kassenschlager. Sie übertrifft das Original zumindest an Atmosphäre und Ernsthaftigkeit. Yû Irie („8000 Miles“) startet in „Memoirs of a Murderer“ mit einer fesselnden Ausgangssituation, kann ihr jedoch nur halbwegs emotionale Abgründe und Spannung abtrotzen.
Existenzialistische, anspruchsvolle Abenteuer-Horror-Parabel auf den (unnötigen) Kampf des Menschen gegen die Natur (und damit sich selbst)
Xavier Gens, E/F 2017
DVD/BD-Start: 04.10.2018
Story: 1914 gelangt ein junger Wetteroffizier zum Dienst auf eine einsame Felseninsel am südlichen Polarkreis. Sein Vorgänger Gruner ist wahnsinnig geworden – jede Nacht kämpft er gegen amphibische Wesen, die gegen den verbarrikadierten Leuchtturm anrennen. Und das nächste Schiff kommt erst in einem Jahr.
Von Sir Real
Xavier Gens, 2007 durch „Frontière(s)“ Mitinitiator der gallischen Gore-Welle und seitdem mittelmäßiger Genrefabrikant (zuletzt: „The Crucifixion“), versucht sich mit dem existenzialistischen Abenteuerhorror „Cold Skin“, womit er den 2002 erschienenen Roman „La pell freda“ (dt.: „Im Rausch der Stille“) des Katalanen Albert Sánchez Piñol adaptiert. Ein wohltuend anspruchsvolles Unterfangen, das aber nur optisch glänzt.
Die autobiografische Culture-Clash-Romcom lehrt mit frechem Mundwerk, wie man sich zu Toleranz, Liebe und Familie bekennt
Michael Showalter, USA 2017
Kinostart: 16.11.2017
Story: Der pakistanischstämmige Stand-Up-Comedian Kumail verheimlicht seinen Berufswunsch vor seiner strikt muslimischen Familie. Als er sich in Psychologiestudentin Emily verliebt und diese durch einen Infekt ins Koma fällt, wankt sein Lügengebäude. Er lernt Emilys Eltern kennen und steht ihr heimlich bei.
Von Sir Real
Es sind die eigenen Lebensumstände, die Kumail Nanjiani (spielt sich selbst) zum Thema der wunderbaren, romantischen Tragikomödie„The Big Sick“ macht, wie sie sich kein Drehbuchautor hätte ausdenken können. Comedy-King Judd Apatow („Immer Ärger mit 40“) zeigt als Produzent sein Gespür für witzige Talente und TV-Regisseur Michael Showalter positioniert dies perfekt im Spannungsfeld zwischen Komik und Dramatik.
Valerian and the City of a Thousand Planets, Luc Besson, F/USA 2017
Kinostart: 20.07.2017
Offenbar hängt die Zukunft von Luc Bessons Europa-Studio ab vom Erfolg seiner 150-200 Mio. Dollar schweren Großproduktion „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“, die sich redlich bemüht, in Konkurrenz zu Marvel, „Star Wars“ und „Avatar“ zu treten. Man möchte dem Filmmogul die Daumen drücken, freilich fällt das schwer, da er nicht nur künstlerisch strauchelt, sondern den Auguren nach eine Box-Office-Bruchlandung à la „John Carter“ droht.
Die Vermessung der Welt als Hybris des weißen Mannes: biografisches Forscherportrait, wohltuend frei von Abenteuer-Modernismen
The Lost City of Z, James Gray, USA 2016
Kinostart: 30.03.2017
Story: 1906 bricht der britische Colonel Percival Fawcett in den Amazonas auf – die letzte Chance für ihn und seine Frau Nina auf gesellschaftlichen Aufstieg. Mehrfach kehrt er in die grüne Hölle zurück und vernachlässigt seine Familie, findet jedoch nie jene versunkene Hochkultur, der er Zeit seines Lebens nachjagt.
Von Sir Real
Realismus statt Eskapismus lautet die Devise, mit der James Gray seinen New Yorker Gangsterhinterhof („The Yards“) verlässt und sich nach dem großartigen Melodram „The Immigrant“ einem weiteren historischen Stoff andient, der zu überzeugen weiß. Das ist im besten Sinne altmodisches Charakterdrama, Lebenslauf-Porträt und klassisches Abenteuer, eine faktennahe Entdeckung der Langsamkeit anstelle von Hollywood-Hektik.
Der cartooneske Einsatz für Kinder statt Karriere verwechselt Hektik mit Rasanz, versöhnt aber mit herzerwärmendem Feel Good
Storks, Nicholas Stoller, Doug Sweetland, USA 2016
Kinostart: 27.10.2016
Story: Früher lieferten Störche Babys aus. Inzwischen sind sie ein hocheffizienter Paketdienst. Bis ihre Fabrik versehentlich ein Neugeborenes produziert. So versuchen Karrierist Junior und Chaotin Tulip das Kind an die Familie Gardner zuzustellen, bevor ihr Boss und intrigante Kollegen Wind davon bekommen.
Von Sir Real
Pixars (deutlich lustigerer) 6-minüter „Teilweise wolkig“ stand wohl Pate für diese „Angry Birds“ von Warner Animation, die derzeit ihr „Lego Movie“ kommerziell ausschlachten und mit dem Vorfilm „The Master: A Lego Ninjago Short“ Laune machen, bei dem ein Huhn Jackie Chan mächtig in die Parade fährt. Das Restprogramm bestreiten „Bad Neighbors“-Regisseur Nicholas Stoller und Pixar-Animator Doug Sweetland („Presto“).
Oliver Stone widmet Whistleblower Edward Snowden ein Politthriller-Biopic, das ihn als stillen Helden unserer Zeit ausweist
Oliver Stone, F/D/USA 2016
Kinostart: 22.09.2016
Story: Als junger Soldat erleidet Edward Snowden einen Unfall, der seine Karriere beendet – und eine viel größere als Azubi bei der CIA startet. Der brillante Programmierer steigt schnell auf zum Spezialisten der NSA, die seine Programme zur Total-Spionage missbraucht. Bis sich Snowden zur Enthüllung entschließt.
Von Sir Real
Immer noch der große Wahrheitssucher, der keine Kontroverse scheut: Oliver Stone, dessen Dokudrama über Edward Snowden auch seine eigene Biografie spiegelt. Indes fehlt das Feuer, die Energie aus „JFK“, die Wucht aus „Platoon“, die Gabe, einem dem Boden unter den Füßen wegzuziehen wie in „Wall Street“. Dennoch: „Snowden“ ist immer noch ein sehenswertes Statement – aber lange nicht das Meisterwerk, das es hätte sein können.
aka The Visit – Eine außerirdische Begegnung, aka The Visit: An Alien Encounter, Michael Madsen, DK/A/IRL 2015
Kinostart: 22.09.2016
Der dänische Konzeptkünstler und Regisseur Michael Madsen hat sich mit der prämierten Endlager-Meditation „Into Eternity“ 2010 einen Namen in der Doku-Gemeinde gemacht. Mit dem gleichen experimentellen Stilwillen nimmt er nun ein Ereignis vorweg, das (noch) nicht eingetreten ist: Der Erstkontakt mit Aliens, die auf der Erde landen. „The Visit“ (nicht zu verwechseln mit M. Night Shyamalans gleichnamigen Gaga-Grusel) positioniert sich als fiktionale Doku und in jeder Hinsicht als Gegenstück zu Emmerichs Destruktions-Spektakel „Independence Day: Wiederkehr“.
Beißer ohne Biss: Nach sechs Staffeln geht der postapokalyptischen Zombieserie (vorerst?) die Luft aus
The Walking Dead (Season 6), Frank Darabont (Creator), USA 2015-2016
DVD/BD-Start: 19.12.2016
Story: Als nach einem misslungenen Umleitungsversuch Zombiehorden das Refugium Alexandria überrennen, büßt Ricks Gemeinde erheblich Personal ein – just, als Maggie schwanger wird. Nach der Restauration kristallisieren sich die mörderischen „Saviours“, eine brutale Räuberbande, als grausamster Feind heraus.
Von Sir Real
Seit Beginn des Jahrzehnts begleiten uns die staksenden Zombies im epischen Erzählformat und setzen Standards, die längst keine Kinoproduktion zum Thema mehr erreicht. Die sechste Staffel von „The Walking Dead“, erschaffen von Frank Darabont nach der gleichnamigen Comicreihe von Robert Kirkman, hat dennoch deutlich nachgelassen: Da war die vierte Staffelebenso wie die fünfte Staffelrunder, stärker und packender.
Les saisons, aka Seasons, Jacques Perrin, Jacques Cluzaud, F/D 2015
Kinostart: 10.03.2016, DVD/BD-Start: 13.07.2016
Die beiden profilierten Profis der Naturdoku, Jacques Perrin und Jacques Cluzaud, die hinter den Publikumserfolgen „Nomaden der Lüfte“ (2001) und „Unsere Ozeane“ (2009) stehen, widmen sich diesmal den europäischen Urwäldern, die einst den Kontinent überzogen. Ihr Ansatz ist so einfach wie brillant: Nach 80.000 Jahren Eiszeit endet der Winter, bis vor 12.000 Jahren die Quellen wieder fließen und die Jahreszeiten zurückkehren, weshalb „Unsere Wildnis“ im Original „Les saisons“ heißt. Anstatt pädagogische Vorträge zu halten und alles mit einem Kommentar vollzukleistern (wie bei „Das Geheimnis der Bäume“ oder „Planet Deutschland“), hält sich der Sprecher – in der Synchro Sebastian Koch („Bridge of Spies“) –, anders als der Trailer suggeriert, angenehm zurück und sagt nur alle paar Minuten mal ein Wort.
Berührendes Drama, das mit leisem Humor und großer Wirkung Abschied von Freunden und Leben nimmt
Truman, Cesc Gay, E/RA 2015
Kinostart: 25.02.2016
Story: Tomás kommt aus Kanada nach Madrid zu einer Vier-Tages-Visite seines langjährigen Freundes Julián. Der will nämlich die Chemotherapie abbrechen und die letzten Dinge regeln. Nachdem Tomás ihn nicht umstimmen kann, begleitet er ihn dabei, wie er sich von Umfeld, Sohn und geliebtem Hund verabschiedet.
Von Sir Real
„Jeder stirbt, wie er kann“: Südamerikas Schauspielstar Ricardo Darín („Wild Tales“) geht zu Herzen in einem unaufdringlichen, aber hervorragenden und denkwürdigen Drama (mit einem Spritzer Komödie) über selbstbestimmtes Sterben. „Freunde fürs Leben“ ist alles andere als ein Krebs-/Sterbefilm, vielmehr eine Auseinandersetzung mit dem, was zählt: Freunde, Familie, Liebe – und dem Mut, wie man abtreten will.
Solace, Afonso Poyart, USA 2015
Kinostart: 31.12.2015, DVD/BD-Start: 03.05.2016
Beinahe geräuschlos nähert sich der mit namhaften Charakterstars gerüstete, dunkle Crime-Thriller„Die Vorsehung“, der im besten Sinne an „Das Schweigen der Lämmer“ und „Seven“ erinnert. Mit dem Unterschied, dass die bizarre Mordserie durch die hellseherische Intuition eines Psychiaters („Hannibal Lecter“ Anthony Hopkins wieder im Dienst des FBI) aufgeklärt wird. Der Mann mit dem Zweiten Gesicht findet im aus Mitleid mordenden Erlöser (selbstgerechte Jesus-Figur: Colin Farrell, „Saving Mr. Banks“) seinen Meister, ein Einfluss, der bis auf Cronenbergs „The Dead Zone“ zurückreicht.
A Walk in the Woods, Ken Kwapis, USA 2015
Kinostart: 15.10.2015, DVD/BD-Start: 24.02.2016
Robert Redford („All Is Lost“) und Nick Nolte („Der schmale Grat“) sind die beiden einander entfremdeten Star-Buddys, die als Mittsiebziger auf dem Wanderweg durch die Appalachen zu meist müden Alterswitzchen sich selber finden. Die betulichen Lausbubengeschichten mit Altherren-Schalk basieren auf der gleichnamigen Vorlage (1997) von dem für seine humorvollen Reiseberichte und populärwissenschaftlichen Bücher bekannten Bill Bryson („Eine kurze Geschichte von fast allem“). In „Picknick mit Bären“ peppen die beiden Darsteller-Asse den faden Plot und seine anekdotische Struktur etwas auf.
Erst hatte Asif Kapadia, Londoner Regisseur mit indischen Wurzeln, es abgelehnt eine biografische Doku über die kurz zuvor an einer Alkoholvergiftung gestorbene Soulsängerin Amy Winehouse zu realisieren. Bis er herausfand, dass sie im gleichen Stadtteil wie er lebte – Camden. Woraufhin er mit jener Kompetenz, Energie und vor allem: Ausdauer loslegte, die seine vorangegangene Doku „Senna“ als unbedingt bewegendes Erlebnis auszeichnete.
Brad Peyton, USA 2015
Kinostart: 28.05.2015, DVD/BD-Start: 15.10.2015
Ein einzelnes „Erdbeben“ wie 1974 reicht heute nicht mehr – ein ganzer Schwarm Erdstöße sprengt erst den Hoover Damm, dann Los Angeles und San Francisco. „San Andreas“, benannt nach der tektonischen Verwerfung, die Kalifornien durchzieht, ist eine so sündteure wie sinnloses Effektorgie. Aber auch ein Katastrophen-Porno, der sogar Spaß macht. Und das, obwohl er haarscharf und überraschungsfrei, jedoch weniger trashig das Reißbrett-Konzept von Roland Emmerichs „2012“ und „The Day After Tomorrow“ übernimmt.
Die tragische Anime-Ballade von einem blutrünstigen Kannibalenkind reflektiert bildgewaltig und apokalyptisch über die conditio humana
aka Ashura, Kei’ichi Sato, J 2012
ohne deutschen Start
Story: Acht Jahre, nachdem ihn seine verzweifelte Mutter ins Feuer warf, streift der von Wölfen großgezogene Asura durch das feudale Japan des 15. Jahrhunderts, das von Hunger, Elend und Gewalt geprägt ist. Er ernährt sich von Menschenfleisch, wovon ihn ein Mönch und Reisbauerstochter Wakasa abzuhalten versuchen.
Von Sir Real
Bevor Kei’ichi Sato mit „Black Butler“ kräftig daneben langte, nahm er sich 2012 George Akiyamas gleichnamigen „Asura“ vor. Mit der bisweilen atemberaubenden Adaption des berüchtigten Mangas, nach seinem Erscheinen 1970 in Japan vorübergehend verboten, machte sich Sato einen Namen. Die krasse Toei-Animation unterscheidet sich vehement vom jugendfreien Studio-Ghibli-Stil. Nur der sülzige Soundtrack kann einpacken.
Reduktionistische Zwangsneurotiker-Studie, die stilbewusst, aber distanziert die Obsessionen einer knapp 30-Jährigen schildert
Ingo Haeb, D 2014
Kinostart: 28.05.2015
Story: Die einzelgängerische Putz-Neurotikerin Lynn jobbt nach einem Nervenklinikaufenthalt wieder als Zimmermädchen im Hotel Eden, wo sie unter Betten kriecht, um heimlich Gäste zu beobachten. Dabei entdeckt sie Hobby-Domina Chiara, ist hingerissen und ordert eine Nacht mit dem selbstbewussten Call Girl.
Von Sir Real
Die Psychostudie nach dem 2008 erschienenen Kurzroman „Das Zimmermädchen“ von Markus Orths verheißt Vielversprechendes, alldieweil Ingo Haeb, Regisseur der Dramen „Neandertal“ und „Sohnemänner“ auch das Script zur Mockumentary „Fraktus“ schrieb. Und zumindest stilistisch kann „Das Zimmermädchen Lynn“ auch interessieren, nicht jedoch für die Erlebnisse und Innenwelten seiner unzugänglichen Protagonistin.
Johanna Moder, A 2014
Kinostart: 07.05.2015, DVD/BD-Start: 20.11.2015
Im mit dem Max-Ophüls-Publikumspreis ausgezeichneten Spielfilmerstling „High Performance“ der Grazerin Johanna Moder, einer Liebeswirren-Komödie um zwei Brüder, die um die gleiche Frau konkurrieren, steckt ein handfestes Wirtschaftsdrama um Habsucht und Spionage. Ein paar Storystandards zu viel dominieren die Verwicklungen um den aus der Art geschlagenen Wiener Lebenskünstler Daniel, der seine Betriebswirt-Sippe und den Karriere-Bruder Rudi (Manuel Rubey aus „Braunschlag“) anpumpen muss, für diesen zunächst widerwillig dessen neue Kollegin Nora auf romantische Kopplungsfähigkeit ausspäht und sich dabei selbst in sie verguckt.
Eine Mädchen-Freundschaft, die erst beinahe Liebe, dann aber Hass gebiert, verdunkelt ein Coming of Age zum Psychodrama
Respire, Mélanie Laurent, F 2014
ohne deutschen Start
Story: Nach der Trennung ihrer Eltern findet die einzelgängerische, 17-jährige Charlie in der neuen, schnell beliebten Klassenkameradin Sarah eine attraktive Freundin, mit der sie die Sommerferien an der Küste verbringt. Als sie hinter Sarahs Geheimnis kommt, beginnt diese sie unerbittlich und bösartig zu mobben.
Von Sir Real
Die nach „The Adopted“ zweite Regiearbeit der französischen Schauspielerin Mélanie Laurent, bekannt für „Inglorious Basterds“ und „Enemy“, nimmt sich des Bestsellers „Dich schlafen sehen“ von Anne-Sophie Brasme an und sondiert in „Breathe“ die dunklen Seiten einer passionierten Freundschaft. Ein nachvollziehbares, sehr echt gespieltes Adoleszenzdrama, das eine erst zärtliche, schließlich zerstörerische Beziehung auskostet.
Was immer man von „Cloud Atlas“ halten mag, die durch Raum und Zeit verflochtenen Epochen-Episoden waren visionär, kühn und finanziell aufwändig. „The Lovers“ vom Briten Roland Joffé um die magische Wirkung eines geheimnisvollen, zweiteiligen Rings, der Liebende für immer vereint, ist nichts davon: Josh Hartnett („Pearl Harbor“) findet in einer Doppelrolle als Archäologe der SciFi-Zukunft mit seiner Frau (Tamsin Egerton, „Love, Rosie“) besagten Ring am Meeresgrund, fällt ins Koma und durch die Zeit ins Indien anno 1778, wo er mit falschem schottischen Akzent als britischer Offizier der East India Company Zeuge eines Königs-Putsches wird.
Der Lebensweg eines Palästinensers in Israel ist eine witzige Rhapsodie in Moll, die mit menschlicher Größe sanft nahegeht
Dancing Arabs, Erin Rilkis, IL 2014
Kinostart: 21.05.2015, DVD/BD-Start: 22.10.2015
Story: Anfang der 80er Jahre erweist sich Palästinenser Eyad als junges Genie, das später als einziger Araber in einer Jerusalemer Eliteschule aufgenommen wird. Er passt sich an, pflegt eine heimliche Liebe zu Mitschülerin Naomi, betreut den gelähmten Yonatan – und gerät schmerzhaft zwischen zwei Kulturen.
Von Sir Real
Dancing Arab: Kein Araber tanzt wirklich im neuen Film von Eran Riklis, der damit nach seinem ungewohnt schwachen „Zaytoun“ wieder zu alter Stärke von „Die syrische Braut“ und vor allem dem thematisch vergleichbaren „Lemon Tree“ findet. Vielmehr vollführt ein junger Palästinenser einen gefährlichen Eiertanz zwischen arabischer und jüdischer Kultur, zwischen seinen Identitäten auf, eine fortwährende Verleugnung seiner selbst.
Michael Winterbottoms ambitionierte, aber heillos verquaste Phantasmagorie zum Amanda-Knox-Fall versackt in planloser Langeweile
The Face of an Angel, Michael Winterbottom, GB/I/E 2014
Kinostart: 21.05.2015, DVD/BD-Start: 24.11.2015
Story: Der geschiedene Regisseur Thomas reist nach Siena, um vor Ort den Prozess der US-Studentin Jessica zu verfolgen und nach dem Buch von Journalistin Simone einen Doku-Essay zu drehen. Im Kokainrausch scheitert er von Beginn an und verliert sich in der italienischen Stadt und eigenen Alpträumen.
Von Sir Real
Nach dem kontroversen Mordprozess um Amanda Knox (die hier Jessica Fuller heißt) fabuliert der Brite Michael Winterbottom kurz nach seinem „The Trip to Italy“ sogleich wieder vor italienischen Kulissen, nunmehr als Sinnestäuschung in dunklen Brauntönen. Er ist so ambitioniert wie seine Hauptfigur (ein uncharismatischer Daniel Brühl, „Rush“) und scheitert wie diese, was trotz größerem Gähn-Faktor von gewissem Belang bleibt.
Prestigeträchtiges, fesselndes Historiendrama, das Georg Elser in einem authentischen Zeitporträt erstmals angemessen würdigt
aka 13 Minutes, aka Elser – Er hätte die Welt verändert, Oliver Hirschbiegel, D 2015
Kinostart: 09.04.2015, DVD/BD-Start: 12.10.2015
Story: Als der Schreiner Georg Elser am 8.11.1939 an der Schweizer Grenze mit allen Beweisstücken für das Bombenattentat auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller verhaftet wird, gesteht er die gescheiterte Tat unter schwerer Folter von Kripo und Gestapo. Dazwischen erinnert er sich an die Liebe zur verheirateten Elsa.
Von Sir Real
Ganze 13 Minuten haben gefehlt, um Hitler kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit einer selbstgebastelten Bombe den Garaus zu machen. Was wäre der Welt erspart geblieben, wenn der 50 Jahre lang totgeschwiegene Georg Elser mit seiner einsamen Gewissensentscheidung Erfolg gehabt hätte! „Wie kann ein Mensch nur so grausam versagen“, beklagt Elser, bevor er ganz kurz vor Kriegsende im KZ Dachau liquidiert wird.