Alfonso Cuarón, MEX/USA 2018
Streamingstart: 14.12.2018
Seit dem Goldenen Löwen in Venedig gilt „Roma“, das autobiografische Drama von Alfonso Cuarón („Gravity“), als das Arthaus-Ereignis des Jahres und nicht zuletzt Oscarhoffnung 2019. Die in luziden Schwarzweiß-Tableaus vorgetragene Ode an das Hausmädchen Cleo (wie alle Darsteller unbekannt: Yalitza Aparicio) wächst sich alsbald zu einer Verbeugung vor (zwei) Frauen aus, und gewinnt aus seinen Alltagsszenen in einer Mittelklassefamilie aus Mexiko City der frühen 70er Jahre nicht nur ein Familienportrait, sondern auch das einer Gesellschaft und Zeit.
Im Knochensplitterregen: der ultrabrutale Action-Exzess mit Martial-Arts-Ikone Iko Uwais ist das Splatter-Movie des Jahres!
Timo Tjahjanto, RI/USA 2018
Streamingstart: 19.10.2018
Story: Als Six-Seas-Elitekiller Ito bei einem Dorfmassaker das kleine Mädchen Reina verschont und statt dessen seine Kollegen tötet, jagen ihn die mächtigsten Triaden Südostasiens. Sein alter Weggefährte Arian, dem Itos Platz versprochen wird, und eine ganze Armada Profimörder hetzen ihn und seine Getreuen.
Von Gnaghi
Wer statt Chips lieber Rasierklingen knabbert, sollte „The Night Comes for Us“ nicht verpassen, denn der zweite allein inszenierte Film des Indonesiers Timo Tjahjanto stellt wie sein krass gesinnter Vorgänger „Headshot“ das Zeigbare in puncto Action und Gewalt auf eine neue Eskalationsstufe. Ein Zeitalter gnadenloser Härte zieht in Fernost herauf und die Liste ultrabrutaler Martial-Arts-Reißer erhält ein neues Highlight.
The Land of Steady Habits, Nicole Holofcener, USA 2018
Streamingsstart: 14.09.2018
Wie in „Genug gesagt“ bleibt Nicole Holofcener eine sensible Beobachterin suburbaner Mittelklasse-Beziehungsgeflechte. Mit „Land der Gewohnheit“, durch dessen Vorstadt-Turf das Echo der (brillanteren) 90er-Jahre-Meilensteine „American Beauty“ und „Der Eissturm“ hallt, ist sie exklusiv bei Netflix gelandet. Gekonnt widersteht sie der Versuchung, zu viel Woody-Allen-Komik einzuflechten oder den Feelgood eines „Little Miss Sunshine“: Sie verteilt bittere und herbe Noten, die bisweilen von leichter Tragik umweht sind.
Jon Hamm und Rosamund Pike in einem Suspense-Thrill mit Hirn und Anspruch um die verworrene (Bürger)Kriegssituation im Libanon
Brad Anderson, USA 2018
Start: 15.06.2018 (Netflix)
Story: 1972 verlor der damalige US-Botschafter Skiles seine Frau bei einem Terroranschlag in Beirut und verfiel dem Alkohol. Als zehn Jahre später sein Freund Cal entführt wird, soll er mit der CIA-Angestellten Crowder die Lösegeldverhandlungen führen. Er trifft auf einige alte Bekannte und neue Probleme.
Von Jochen Plinganz
Tony Gilroy ist einer von Hollywoods profiliertesten Thriller-Autoren – er schrieb drei Drehbücher der „Bourne“-Reihe. Der ältere Bruder von Dan Gilroy produzierte überdies dessen hervorragendes Debüt „Nightcrawler“, mit dem sich „Beirut“ die Eigenschaft teilt, die Nacht in die Seelen der Akteure zu senken. In toll fotografierten, finsteren Interieurs vibriert die Spionagestory angemessen schummrig, zwielichtig und bisweilen morbid.
Natalie Portman wandelt auf Tarkovskijs Spuren in einem philosophischen Mutations-Trip nach Jeff Vandermeers Sci-Fi-Erfolg
Annihilation, Alex Garland, GB/US 2018
Start: 12.03.2018 (Internet)
Story: Nachdem Kane, der lange vermisste Mann von Biologin Lena, eines Tages von einer Geheimmission in Area X völlig verändert und todkrank zurückkehrt, schließt sie sich einem fünfköpfigen, rein weiblichen Team an, das die durch eine Landung Außerirdischer verursachte mutagene Zone erforschen soll.
Von Max Renn
Mit Anleihen bei der Monolith-Mystery von „2001 – Odyssee im Weltraum“, mehr noch aber Andrej Tarkovskijs Klassikern „Solaris“ (Kopien vertrauter Personen) und „Stalker“ (philosophierende Erkundung einer Zone, in der Naturgesetze außer Kraft sind) nimmt sich Alex Garland in „Auslöschung“ dem ersten Teil von Jeff Vandermeers „Southern Reach“-Trilogie an, die in der Branche hohe Wellen schlug und zur Sensation geriet.
Helden in ihrer dunkelsten Stunde: furioses Eskapismus-Spektakel, das nahtlos die hohen Standards von „Episode VII“ weiterführt
Star Wars: The Last Jedi, Rian Johnson, US 2017
Kinostart: 14.12.2017
Story: Während Rey Luke Skywalker dazu bringen will, sie zu unterrichten, hat der Erste Orden um Snoke und Kylo Ren den Rebellenstützpunkt geortet und attackiert ihn mit Sternenzerstörern. Unter schweren Verlusten flieht Commander Leias Flotte. Poe und Finn ersinnen einen waghalsigen Rettungsplan.
Von Max Renn
Mehr Action, mehr Humor, mehr Figuren, mehr Emotionen – Rian Johnson („Brick“, „Looper“) liefert mit „Star Wars: Die letzten Jedi“ eine Vollbedienung für Fans und geht noch ein paar Schritte weiter weg von George Lucas’ erster Trilogie. Gewiss überfrachtet, nicht immer rund, aber immer wieder bewegend und begeisternd zeigt sich ein fulminantes Entertainment-Paket, das seine Wundertüte zur Weihnachtszeit ausschüttet.
Zhan lang II, Wu Jing, C 2017
Kinostart: 14.09.2017
Zwei Jahre nach dem Überraschungserfolg des ersten Teils avancierte diesen Sommer der Actioner „Wolf Warrior 2“ zum erfolgreichsten Titel am chinesischen Boxoffice aller Zeiten und tourte Mitte September auch durch einige deutsche Kinos, bevor vermutlich im ersten Quartal 2018 die Heimkino-VÖ folgt. Dem simplen Konzept bleibt Regisseur/Hauptdarsteller Wu Jing (Martial-Arts-Fans unter dem Namen Jacky Wu ein Begriff) treu, dosiert nur die streng nationalistischen Töne etwas milder und offeriert mit ausgebautem Budget mehr Professionalismus, der einen hübschen Unterhaltungswert garantiert.
Übernatürliches Coming of Age, das mit betörenden Bildern und einfühlsamer Besinnung ein veritables Gänsehaut-Gefühl generiert
Nicholas Verso, AUS 2016
bereits erhältlich (DVD/BD)
Story: Halloween 1997, Frühling in einer australischen Vorstadt. Den Schulabschluss in der Tasche, heult Corey mit den Skater-Wölfen von Jango, ignoriert die Avancen von Mitschülerin Romany und hat Jugendfreund Jonah verraten. Der fordert ihn heraus, ihm diese Nacht zu folgen – und für Corey ändert sich alles.
Von Caroline Lin
Ein Halloween-Movie der besonderen Art: „Boys in the Trees“ ist der bessere „Super Dark Times“, ach was, einfach das stärkste Coming of Age dieses Jahrgangs. Der australische Debütant Nicholas Verso destilliert eine betörend-magische Melange aus „Donnie Darko“ und „Stand by Me“, ähnlich gut wie in „Es“ (nur ohne Killerclown), dafür mit einem magisch-märchenhaften Realismus à la Neil Jordans „Die Zeit der Wölfe“.
Arm und schön: romantisch-melancholisches Teenie-Crime-Märchen, ein sehnsuchtsvolles und nachdenkliches Aschenputtel-Melodram
Martin Weisz, USA 2014
DVD/BD-Start: 27.05.2014
Story: Die obdachlosen Teens Jonah und Kelly sind Strandräuber in Venice Beach. Sie quartieren sich in der Villa der Familie Silverman in Pacific Palisades ein; Kelly träumt von einer heilen Existenz, Jonah verhökert den Schmuck an einen gefährlichen Hehler. Bis die Eigentümer überraschend heimkehren.
Von Sir Real
Dem nach „The Hills Have Eyes 2“ zweiten US-Werk des Deutschen Martin Weisz („Rohtenburg“) wurde Eindimensionalität, Weltfremdheit und Klischeelastigkeit vorgeworfen. Zeit für eine Ehrenrettung von „Squatters“, einem stimmungsvollen, oft zärtlich inszenierten „Aschenputtel“ als White-Trash-Märchen um Sozialgefälle und Familientragödien, was als Teenie-„True Romance“ zum traumhaft besetzten Melo-Thriller wird.
Angelina Jolie rührt als tragische Zauberfee, die in dem unorthodox-progressiven Fantasy-Märchen Liebe und Hass (er)lebt.
Maleficent, Robert Stromberg, USA/GB 2014
Kinostart: 29.05.2014, DVD/BD-Start: 02.10.2014
Story: Die gute Fee Maleficent aus dem Moorreich ist mit dem armen Jungen Stefan verbandelt, der sie jedoch verrät und verstümmelt, um König des Menschenreichs zu werden. Deshalb verflucht die verbitterte Maleficent seine Neugeborene, wacht heimlich über ihr Heranwachsen im Exil, bis ihr Schicksalstag naht.
Von Caroline Lin
Sympathy For the Devil: Im Zuge der Neuverföhnung beliebter Märchenklassiker, seit „Shrek“ eine populäre Disziplin, revidiert auch diese verblüffend progressive, mindestens so unterhaltsame wie nahegehende Neujustierung das Bild der bösen Fee Maleficent, seit 1959 schillernder Kinderzimmerschreck, als Mitgefühl erweckende (Schwarz)Magierin. Mithin zeigt sich, wie konservativ-verstaubt „Dornröschen“ eigentlich war.
Story: Minenarbeiter Dahai landet im Krankenhaus, als er gegen die korrupten Machenschaften neureicher Parvenüs vorgehen will – und greift er zur Schrotflinte. Ein Wanderarbeiter entdeckt derweil den Raubmörder in sich, eine Rezeptionistin erwehrt sich dreister Grapscher und ein Mann versucht den Neuanfang.
Von Thorsten Krüger
Zhangke Jia (Goldener-Löwe-Gewinner mit dem poetisch-politischen „Still Life“) hat aus sich vier knapp überlappenden Episoden ein toxisch-nihilistisches Gesellschaftspanorama über das Reich der Mitte gebraut, wo ungefiltert und eindringlich Underdogs, einfache Bürger und unterprivilegierte Wanderarbeiter in einem Land am Nullpunkt – klimatisch, moralisch, menschlich – ihre (Auto)Aggressionen ausleben.
Die koreanische Kinderanimation ist auch für Volljährige eine unweigerlich anrührende Fabel über Mutterliebe und Selbstaufopferung.
Madangeul Naon Amtak, aka Daisy: A Hen Into the Wild, Oh Sung-Yoon (Seong-yun Oh), ROK 2011, DVD/BD-Start: 04.04.2012
Story: Die traurige Legehenne Liefi wird vom Bauern für tot auf den Müll geworfen und entkommt einem gefräßigen, einäugigen Wiesel. Fortan lebt das mutige Huhn in ersehnter Freiheit, die voller Todesgefahren steckt. Gegen den Willen der anderen Tiere adoptiert sie das Küken eines Erpels, der ihr Leben rettete.
Von Sir Real
2011 wurde Oh Sung-Yoons Kindertrickfilm zur erfolgreichsten Animation im südkoreanischen Kino. Er basiert auf dem 2000 veröffentlichten Bestseller „The Hen Who Wanted to Fly“ von Hwang Sun-mi, erschien 2012 weitgehend unbemerkt bei uns auf DVD und erhielt letzten Monat einen neu synchronisierten Release in englischsprachigen Territorien. Dort heißt Liefi nun Daisy, sollte aber nach wie vor die ganze Familie rühren.
Rape, Revenge und der große Manitu: bemerkenswerte Fusion von Rachereißer, Splatterspuk und Melodram.
Michael S. Ojeda, USA 2013
DVD/BD-Start: 11.04.2014
Story: Eine Bande brutaler Rednecks hat die durchreisende taubstumme Zoe geschändet, schwer verletzt und für tot in der Wüste New Mexikos liegen gelassen. Dort findet sie ein Medizinmann, dessen ermordete Vorfahren in einem Ritual als Geister Zoes toten Körper in Besitz und grausame Rache nehmen.
Von Thorsten Krüger
Klar ist „Savaged“ Exploitation pur – aber auf hohem Niveau: Der Indie-Horror, der trotz Minimalbudget Beachtliches leistet, folgt dem rabiat drastischen „I Spit on Your Grave 2“ in der Disziplin des unlängst wiederbelebten Rape-&-Revenge-Rachenputzers. Aber Michael S. Ojeda („Lana’s Rain“) verknüpft dies mit einer okkult-übernatürlichen Geistergeschichte, eine weibliche Ausführung von „The Crow“, mit Gewalt und Gefühl.
Pure Poesie: Jim Jarmusch beschwört mit Psychedelic Rock den Zauber der Nacht in einer verfallenden Welt.
Jim Jarmusch, GB/D/FR/CY/USA 2013
Kinostart: 25.12.2013, DVD/BD-Start: 27.06.2014
Story: Das jahrhundertealte Vampirpärchen Adam und Eve lebt zurückgezogen in Detroit und Tanger. Sie ernähren sich ausschließlich von Blutkonserven, doch die Umweltverschmutzung vergiftet ihr Lebenselixier. Dann taucht auch noch Eves jüngere Problemschwester auf, die Adams Zuträger aussaugt.
Von Caroline Lin
Nun verantwortet die coproduzierende Degeto, berüchtigt für uninspiriert-steife TV-Ware, glatt ein künstlerisch überwältigendes Werk. Denn Independentveteran Jim Jarmusch („Dead Man“, „Stranger Than Paradise“) hypnotisiert mit einem Gedicht, das anders als „Exit Marrakech“ den exotischen 1001-Nacht-Zauber des marokkanischen Hippie-Mekkas Tanger sowie den Reiz der sterbenden Industriemetropole Detroit erforscht.
Volker Koepp, D 2013
Kinostart: bereits angelaufen (20.03.2014)
Mit einem locker strukturierten Reisetagebuch fängt Volker Koepp das momentane Lebensgefühl in Osteuropa ein. An das antike Sarmatien, diesen Lebensraum zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, Weichsel und Wolga, hat Koepp seit jeher sein Herz verloren. Er folgt gewissermaßen den Spuren des ostpreußischen Dichters Johannes Bobrowski (1917 – 1965), dessen Strophen aus „Sarmatische Zeit“ anklingen. So begibt sich Koepp, der viel aus dem Off kommentiert, auf eine persönliche Erinnerungsreise an sein eigenes, mehr als vier Dekaden umspannendes Œuvre.
Grandios naturalistischer Abenteuer-Abgesang, der im Gewand eines Spätwesterns zur Reise ohne Wiederkehr wird.
Thomas Arslan, D/CA 2013
auf DVD erhältlich
Story: Im Sommer 1898 bricht ein Fähnlein verzweifelter deutscher Auswanderer vom kanadischen Nordwesten auf, um sich von Schwindler Laser 1000 Meilen durch die Wildnis in nördliche Goldfelder lotsen zu lassen. Das unerfahrene Septett verliert bald Ausrüstung und Mitglieder. Ihr Traum scheint unerreichbar.
Von Thorsten Krüger
Mit dem Präzisions-Film-Noir „Im Schatten“ über den Asphaltdschungel Berlins bewies Thomas Arslan große Stilstärke, die er auch in diesem bereits letztes Jahr auf der Berlinale vorgestellten und nun längst auf DVD erhältlichen historischen Abenteuer beibehält. Weniger ein Spätwestern, sprich: Genrewerk nach US-Vorbild, denn ein exzellent naturalistischer (und bei Naturlicht gedrehter) Arthaus-Trip ins „Herz der Finsternis“.
Keine Romanze, sondern Szenen einer Ehe: bisweilen komödiantisches Porträt der belasteten Beziehung eines alternden Problempärchens.
Le Week-End, Roger Michell, GB 2013
Kinostart: 30.01.2014, DVD/BD-Start: 28.05.2014
Story: Die Endfünfziger Nick und Meg wollen mit einem Paris-Trip zum 30. Hochzeitstag ihre Ehe auffrischen, was diese dringend benötigt. Doch der Wochenendausflug der beiden Briten beginnt mit Gezänk und mündet in einem tiefen Zerwürfnis, das bei einem Abend bei Nicks glücklichem Studienfreund eskaliert.
Von Thorsten Krüger
Frankreichs Kapitale ist keine Stadt der Liebe, sondern eine unübersichtliche Metropole ohne Zuckerguss und Weichzeichner à la Woody Allens „Midnight in Paris“. Um so erstaunlicher, dass ausgerechnet Romcom-Experte Roger Mitchell („Notting Hill“) hier ein handfestes, komisches Ehedrama mit ungeschminktem Spiel von Lindsay Duncan („Alles eine Frage der Zeit“) und Oscarpreisträger Jim Broadbent („Iris“) vollzieht.
Argumentativ aufrüttelnder Pageturner-Thriller um eine weltumspannende Verschwörung, der Milliarden Menschen zum Opfer fallen sollen.
Sebastian Fitzek, D 2013
Erscheinungstermin: 13.12.2013
Story: Gedächtnislos und schussverletzt kommt Noah zu sich, gesundet obdachlos in Berlin, von Pennbruder Oscar gepflegt. Gehetzt von Profikillern, setzt Noah, der selbst perfekt töten kann, seine Vergangenheit zusammen, die ihn ins Zentrum eines globalen Plans mit einer tödlichen Virus-Epidemie rückt.
Von Thorsten Krüger
Eine mächtige und skrupellose Geheimorganisation, die das Überbevölkerungsproblem lösen will, gab es jüngst in Dan Browns „Inferno“. Diesem eifert der für seine überkonstruierten Psychothriller berühmte Berliner Bestsellerautor Sebastian Fitzek („Der Seelenbrecher“) nach. Fiel sein letztes Buch, „Der Nachtwandler“, arg dünn aus, gelingt ihm nun der große Wurf, ein flotter, gewandt formulierter Pageturner von internationalem Niveau.
Story: Nach dem Militärputsch von General Suharto ermordeten seine Handlanger 1965 wahllos gut eine Millionen Kommunisten, oder was sie dafür hielten. Die Kriminellen blieben straffrei, sind heute Volkshelden mit Macht und Einfluss, und stellen, überzeugt von der Richtigkeit ihres Tuns, jene Schandtaten nach.
Von Thorsten Krüger
Erinnerungskultur einmal anders: Man stelle sich vor, Himmler, Eichmann und andere Organisatoren des Holocaust träfen sich mit Ex-KZ-Wächtern, um ein farbenfrohes Auschwitz-Amateur-Musical aufzuführen, in aller Öffentlichkeit, weil der Krieg gewonnen wäre und sie allesamt beliebt, einflussreich und mächtig. Kranke Phantasie? In Indonesien Realität, der ganz normale Wahnsinn, eingefangen in dieser Zweieinhalbstundendoku.
Transgressives, verstörend schönes Filmkunstpoem aus den monströsen Eingeweiden unserer Zivilisation.
Antoine D’Agata, FR 2013
Sendetermin: 03.12.2013 (Arte) ohne deutschen Verleih
Story: Ein Namenloser reist über den Globus zu heruntergekommenen Orten, wo Nutten, Fixer und andere Abhängige vegetieren. Während sie Freier bedienen, sich ihrem Drogenrausch hingeben oder im Elend liegen, sprechen die Prostituierten aus dem Off deprimierende Gedanken über ihr Leben und die Welt.
Von Thorsten Krüger
Seit 30 Jahren schon reist der renommierte französische Fotograf Antoine D’Agata zu den Gossen dieses Planeten, um dort Dirnen und Drogenabhänge abzulichten. Sein über zwei Jahre hinweg entstandenes Regiedebüt bietet die Essenz seines bisherigen Schaffens: In Dutzenden Rotlichtvierteln taucht er tief in die Schlünde der verschwommenen Realität ein, eine fiebrige Fantasie von erschreckend-betörender Fremdheit.
Paolo Sorrentinos Meisterwerk über die unerträgliche Leichtigkeit des Seins verneigt sich vor der Ewigen Stadt und Fellini.
La grande bellezza, Paolo Sorrentino, IT/FR 2013
Kinostart: 25.07.2013, DVD/BD-Start: 05.03.2014
Story: Schriftsteller und Lebemann Jep hat sich jahrzehntelang in seiner Dachterrassenwohnung direkt gegenüber des Colosseums mit High-Society-Partys vergnügt, als ihn an seinem 65. Geburtstag die Nachricht vom Tod seiner ersten Liebe aufschreckt. Mit Stripperin Ramona begibt er sich auf Sinnsuche durch Rom.
Von Thorsten Krüger
Der Gewinner des Europäischen Filmpreises 2013 trägt seine Krone zurecht: Die Hommage an Federico Fellini, speziell „Das süße Leben“, aber auch an Rom und Italien, ist ein atemberaubendes, reines Kunstwerk mit einem grandiosen Toni Servillo („Il Divo“) auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ein melancholisch-bewegendes Gesellschafts-Panorama, das einen zum Lachen, Weinen, Träumen und Nachdenken bringt.
Les salauds, Claire Denis, FR/D 2013
Kinostart: 26.12.2013
Das Schweigen: Die französische Autorenfilmerin Claire Denis, bekannt für ihr so anspruchsvoll-schwieriges wie künstlerisches Arthauskino („Beau travail“) reist mit ihren distanzierten, grimmigen Nocturno tief in die finstere Seelennacht. Sie nutzt erstmals die Freiheiten des digitalen HD-Materials für ein gedankenverhangen-schwermütiges Mood Movie, das sich als Krimi-Puzzle um menschliche Erschütterungen entfaltet.
Ron Howards Rennfahrer-Drama ist ein mitreißendes Doppel-Biopic mit Tiefgang und einem grandiosen Daniel Brühl.
Ron Howard, USA/D/GB 2013
Kinostart: 03.10.2013, DVD/BD-Start: 05.03.2014
Story: 1970 begegnen sich die beiden Jungtalente James Hunt und Niki Lauda – Abneigung auf den ersten Blick. Jahrelang werden der britische Partylöwe und der österreichische Workaholic zu erbitterten Konkurrenten, die sich in der Formel 1 um die Titel duellieren – bis zu Laudas beinahe tödlichem Unfall 1976.
Von Caroline Lin
Weit mehr noch als in „Frost/Nixon“ widmet sich Autor Peter Morgan dem Doppel-Porträt zweier konträrer Charaktere, was Ron Howard („A Beautiful Mind“) abermals als intensives Duell übersetzt. Sein Biopic packt mit authentischen Rennszenen, emotionaler Tiefe und einer Formel 1 im Retro-Look zu einer Zeit, als der Tod ein ständiger Begleiter war: Laudas Horrorunfall ist eine mörderische, tiefgreifende Zäsur.
In Nordkorea werden Hunderttausende in Konzentrationslagern totgefoltert, aber wen interessiert das schon?
Marc Wiese, D/ROK 2012
auf DVD erhältlich
Story: Als Kind zweier Häftlinge wurde Shin Dong-Hyuk in einem nordkoreanischen Arbeitslager für politische Gefangene geboren und wuchs dort auf. 2006, im Alter von 23 Jahren, gelang ihm, der keine Welt jenseits des Stacheldrahts kannte, die Flucht. Seitdem berichtet er davon, bleibt der Freiheit aber fremd.
Von Thorsten Krüger
Geboren im KZ: Alles, was Sie je über Nazi-Lager gelernt haben, gibt es hier auch. Nicht historisiert, sondern jetzt, während Sie diese Worte lesen. Heute. 2013. Schon seit Jahrzehnten. Geschätzt 200.000 Menschen sterben aktuell qualvoll in den Gulags der Kim-Dynastie, die Kim Jung-un noch ausbauen lässt. In seinem finsteren Vasallenstaat von Chinas Gnaden, einer brutalen Diktatur, am Leben erhalten von einer anderen.
The Dolls Have Eyes: Im von Alexandre Aja produzierten Thriller schlitzt Elija „Frodo“ Wood Frauen aus der Ego-Perspektive.
Franck Khalfoun, USA 2012
auf DVD erhältlich
Story: Der schüchterne Frank lebt als Designer von Schaufensterpuppen in Los Angeles und schleppt sporadisch Bekanntschaften ab, um sie zu skalpieren und filetieren. Als er sich ernsthaft verliebt, stehen im die Trophäen, mit denen er seit seiner verstörenden Kindheit rege Zwiegespräche führt, ernsthaft im Weg.
Von Thorsten Krüger
Was wäre der amerikanische Horror bloß ohne Ed Gein? Kein „Psycho“, kein „Texas Chainsaw Massacre“, kein „Das Schweigen der Lämmer“ … kein „Maniac“, dieser rohe New Yorker Bastard von Norman Bates. Ein schmuddelig-sleaziges Psychodrama, von vielen auf billig-brutale Slasher-Exploitation reduziert, zum Teil bis heute. William Lustigs Blick in den Moloch der City ist viel mehr: