Schlagwort-Archive: Crime

The Mule

Ein Senior auf Abwegen: satirisch-komisches Thrillerdrama, in dem Clint Eastwood ein superbes (Rückbesinnungs-)Melodram findet

The Mule Cover

Clint Eastwood, USA 2018
Kinostart: 31.01.2019
Story: Für seine Lilienzucht hat Koreakriegsveteran Earl Frau und Tochter verlassen. Als sein Besitz verpfändet wird, fängt der bald 90-Jährige an, für Drogenkartelle Kokain quer durch die USA zu fahren. Er saniert sich, nimmt Kontakt zur Familie auf, aber DEA-Agent Colin fahndet bereits nach dem unbekannten Kurier.
Von David McAllan

Mit dem von einem Artikel der New York Times inspirierten „The Mule“ legt Hollywood-Legende und knorriger Republikaner (und Trump-Gegner) Clint Eastwood ein hervorragendes Alterswerk vor. Der beste Film des 88-Jährigen seit langem schlägt trotz aller satirisch-trockenen Komik nie den leicht(fertig)en Ton von „Ein Gauner & Gentleman“ an, sondern findet durch das Spiel mit dem Feuer zur berührenden Familienaussöhnung.

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Widows

Viele Stars in einem milieuechten, aber unentschlossenen Heist-Thrillerdrama um drei Frauen, die sich in großer Not behaupten müssen

Widows Cover

aka Widows – Tödliche Witwen, Steve McQueen, GB/USA 2018
Kinostart: 06.12.2018
Story: Als ein Chicagoer Banditentrio beim Millionencoup im Gefecht mit der Polizei stirbt, fordert der bestohlene Gangsterboss das Geld von den Witwen der Toten ein. Mit dem Mut der Verzweiflung planen Veronica, Alice und Linda einen Raubzug, doch die Chancen der um ihr Leben Betrogenen stehen schlecht.
Von David McAllan

„12 Years a Slave“-Regisseur Steve McQueen stellt mit „Widows“ so etwas wie die ernsthafte Oscar-Alternative zur hirnweichen Caper-Comedy „Ocean’s Eight“ vor. Großartige Darsteller bis in kleinste Nebenrollen, Vielschichtigkeit, ein cleveres Lavieren am Schnittpunkt zwischen Genre-Thriller und Charakterstudie, Milieudrama, Politkommentar und Frauenfilm – trotzdem ist das Resultat nicht mehr als die Summe seiner Teile.

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Under the Silver Lake

Andrew Garfield findet in der überbordenden Mystery Komisches, Kurioses, Konspiratives und Kulturgeschichtliches – nur keine klare Linie

Under the Silver Lake Cover

David Robert Mitchell, USA 2018
Kinostart: 06.12.2018
Story: Slacker Sam muss in fünf Tagen sein Apartment mit Poolblick in L.A. räumen, da begegnet er Sarah, die am nächsten Tag verschwunden ist. Verwundert beginnt er nach ihrem Verbleib zu forschen und surft dabei durch eine von Hollywood geprägte Stadt der Illusionen, Verschwörungen, kriminellen Abgründe.
Von Thorsten Krüger

„Under the Silver Lake“ darf man getrost als dunklen Bruder von „La La Land“ betrachten, ein mit zweieinhalb Stunden in jeder Hinsicht voluminöses Werk, dass das alte Hollywood nicht melodramatisch umarmt, sondern seine Kultur Schicht um Schicht freilegt, indes gebrochen von einer ironischen Distanz, die der Suche nach Antworten mit dem Ergebnis, dass das Leben absurd ist, die emotionale Verbindung kappt.

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Sicario 2

Im schmutzigen Krieg gegen Mexikos Kartelle kopiert der Mittelteil der Trilogie Stil und Aussage des Vorgängers größtenteils gelungen

Sicario 2 Cover

Stefano Sollima, I/USA 2018
Kinostart: 19.07.2018
Story: Nach einem islamistischen Sprengstoffanschlag beauftragt der US-Verteidigungsminister Agent Graver, heimlich einen Krieg zwischen jenen Kartellen anzuzetteln, die die Attentäter ins Land geschmuggelt haben. Graver entführt die Tochter des Kartellchefs, doch die Rückführung nach Mexiko geht schief.
Von Max Renn

Der im Vorfeld hochgehandelte Nachfolger zum Kartellthriller „Sicario“ von Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“) und Autor Taylor Sheridan („Wind River“) ist vorwiegend handwerklich gehobenes Spannungskino, mit dem der Italiener Stefano Sollima (TV-Serie „Gomorrha“) die Strukturen der organisierten Kriminalität offenlegt und, wie im ersten Part, die Verlogenheit sowie das imperialistisches Gehabe der US-Regierung.

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Memoirs of a Murderer

Das japanische Remake eines Korea-Thrillers bietet ungemütliche True-Crime-Spannung um einen Serienmörder als Medienphänomen

Memoirs of a Murderer Cover

22-nenme no kokuhaku: Watashi ga satsujinhan desu, aka Confession of Murder, Yû Irie, J 2017
ohne deutschen Start
Story: 22 Jahre, nachdem seine sadistische Mordserie ganz Japan erschütterte und seine Taten verjährt sind, outet sich Masato als berüchtigter Tokyo Strangler und stellt seine Memoiren vor. Die geraten zum Bestseller – ein Affront für die Hinterbliebenen und Cop Wataru, der den Killer seit langer Zeit erfolglos jagt.
Von Sir Real

Auch Asien kann Remakes (vgl. die vielen Epigonen von „Ringu“). Die Neufassung des südkoreanischen Thrillers „Confession of Murder“ (2012) geriet in Japan gar zum Kassenschlager. Sie übertrifft das Original zumindest an Atmosphäre und Ernsthaftigkeit. Yû Irie („8000 Miles“) startet in „Memoirs of a Murderer“ mit einer fesselnden Ausgangssituation, kann ihr jedoch nur halbwegs emotionale Abgründe und Spannung abtrotzen.

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Molly’s Game

Jessica Chastain brilliert als Tellerwäscherin, die hoch pokert und tief fällt, in einem hochklassigen Risikogeschäfts-Biopic

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Aaron Sorkin, C/US 2017
Kinostart: 08.03.2018
Story: Nachdem Stürze und Wirbelsäulenbrüche ihre Olympia-Karriere im Freestyle Skiing früh beendet haben, entzieht sich Molly Bloom ihrem knallharten Vater und schlägt sich durch, darunter als attraktiver Köder für Underground-Poker-Runden. Für die sie reiche Promis anzieht, aber auch Mafia und FBI.
Von Thorsten Krüger

Aaron Sorkin, der profilierte Autor von vortrefflichen Dialogdramen wie „Eine Frage der Ehre“ und „The Social Network“ bis hin zur Politserie „West Wing“, findet in Molly Blooms Autobiografie „Molly’s Game: From Hollywood’s Elite to Wall Street’s Billionaire Boys Club, My High-Stakes Adventure in the World of Underground Poker“ die ideale Vorlage für einen fesselnden Beitrag über den Amerikanischen (Finanz)Traum.

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Nur Gott kann mich richten

Das knallharte deutsche Genrekintopp mit Moritz Bleibtreu hält auch emotional durch die Tragödie verzweifelter Krimineller in Atem

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Özgür Yildirim, D 2017
Kinostart: 25.01.2018
Story: Nach fünf Jahren Knast für einen misslungenen Raubüberfall will Ricky weg aus dem Frankfurter Kiez. Da Komplize Latif pleite ist, soll ein abgesprochener Heroinklau das Startkapital besorgen. Mit Bruder Rafael zieht Ricky den simplen Plan durch. Der misslingt und die Beute landet bei Polizistin Diana.
Von Gnaghi

Wen Gott straft: In „Nur Gott kann mich richten“ kreuzt „Chiko“-Regisseur Özgür Yildirim einen stimmungsvollen, milieuechten Noir mit einem Crime-Thriller im rauen Immigranten- und Kriminellenkiez Frankfurts. Genre-Stereotypen erfahren durch Hinterhof-Straßendreckigkeit und das überragende Ensemble eine Wahrhaftigkeit, als hätte Fatih Akin („Gegen die Wand“) einen Gangsterreißer mit schlimmstmöglicher Wendung gedreht.

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The Foreigner

The Foreigner Cover

Martin Campbell, GB/C/US 2017
ohne deutschen Start

Jackie Chan vs. Pierce Brosnan, inszeniert von Bond-Regisseur Martin Campbell („Casino Royale“): Das Actiondrama „The Foreigner“ basiert auf Stephen Leathers 1992 publizierten, vierten Roman „The Chinaman“ (dt: „Der Chinese“, 1993), der auf dem Höhepunkt der damaligen IRA-Anschlagswelle spielt, was, 1:1 ins Jahr 2017 verlegt, reichlich unzeitgemäß wirkt. Chan spielt den einfachen Restaurantbesitzer Minh, der bei der Flucht aus Vietnam seine Familie verlor. Seine Tochter und letzte Angehörige stirbt bei einem Bombenanschlag der IRA in London vor seinen Augen.

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Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Frances McDormand zettelt in der pechschwarzen, vielschichtigen Kleinstadtsatire aus Trauer und Wut einen Kleinkrieg an

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri Cover

Martin McDonagh, GB/USA 2017
Kinostart: 25.01.2018
Story: Seit vor sieben Monaten Mildreds Tochter vergewaltigt und ermordet wurde, haben die lokalen Behörden wenig unternommen, um die Tat aufzuklären. Weshalb Mildred am Ortsausgang drei Werbetafeln mietet, darauf Sheriff Willoighby kritisiert – und jeden gegen sich aufbringt. Deputy Dixon reagiert brutal.
Von Jochen Plinganz

Nach dem missglückten „7 Psychos“ kehrt der irisch-britische Auteur Martin McDonagh zu dem zurück, was ihn in seinem Debüt „Brügge sehen… und sterben?“ auszeichnete: finsterste Komik über menschliche Untugenden und die Reflexion über Leben und Sterben. In „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ kreuzt er dies erfolgreich mit Coenscher Lakonie zu einer bitterbösen Heimatsatire, die jedoch auch Versöhnlichkeit kennt.

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Wind River

Härte und Mitgefühl bestimmen den großartigen, modernen Winterwestern mit Jeremy Renner um Mädchenmorde in Wyoming

Wind River Cover

Taylor Sheridan, GB/CDN/USA 2017
Kinostart: 08.02.2018
Story: Als Wildhüter Cory im ewigen Eis des Wind River Indianerreservats eine Mädchenleiche entdeckt, ist er erschüttert: Denn es ist die beste Freundin seiner vor drei Jahren auf die gleiche Art ermordeten Tochter Emily. Widerstrebend hilft er der unterbesetzten Polizei und FBI-Agentin Jane bei den Ermittlungen.
Von Max Renn

Taylor Sheridan ist das Beste, was das US-Independent-Kino zu bieten hat. Mit seinen Drehbüchern für „Sicario“ und „Hell or High Water“ (für den er eine Oscarnominierung erhielt) schrieb er bereits zweimal Hervorragendes, nun führt er, nach eigener Vorlage, Regie. „Wind River“ ist, wie seine vorherigen Geschichten, wieder ein moderner Western geworden, ein Winterwestern diesmal, und wieder ein Männerfilm – mit starken Frauen.

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Drive Baby Drive

Straßen in Flammen: style-intensive Actionromanze, die mit Charisma, Musik und Groove fasziniert – bis sie aus dem Takt gerät

Drive Baby Drive Cover

Baby Driver, Edgar Wright, GB/USA 2017
Kinostart: 27.07.2017
Story: Weil er bei ihm in der Kreide steht, fährt Miles unter dem Decknamen Baby für Bankster-König Doc Fluchtwagen bei dessen Überfällen. Als er sich in Kellnerin Debbie verliebt und aussteigen will, wird er zum Heist genötigt, bei dem alles eskaliert und ihn seine kriminellen Komplizen sowie die Polizei jagen.
Von Thorsten Krüger

Wieso fährt Justin Bieber jetzt Fluchtwagen? Darf der noch so spät aufbleiben? Hat der überhaupt schon einen Führerschein? Aber ja doch! Unter Komödien-Spezialist Edgar Wright („Shaun of the Dead“) läuft Teen-Star Ansel Elgort („Das Schicksal…“) zu Hochform auf in einer die Coolness ausbuchstabierenden musikalischen Actionromanze, die einer Musikvideo-Bewerbung von „La La Land“ für „Fast & Furious“ nahe kommt.

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Goldstone

Der humanistisch bewegende Thriller um Zwangsprostitution im Outback vereint meisterlich Film Noir und Western

Goldstone Cover

Ivan Sen, AUS 2016
ohne deutschen Start
Story: Der alkoholsüchtige Aborigine-Detektiv Jay besucht auf der Spur eines vermissten Mädchens die in der Wüste gelegene Grenzstadt Goldstone, die quasi Eigentum des ansässigen Tagebaukonzerns ist. Der naive Cop Josh entdeckt, wie Bürgermeisterin und scharf schießende Security vor seiner Nase mit Menschen handeln.
Von Max Renn

Vor Kurzem erst hatten wir „Last Cab to Darwin“ zu unseren Favoriten 2016 gekürt, nun folgt gleich ein weiterer Titel aus Australien: „Goldstone“ (nicht zu verwechseln mit dem Abenteuerdrama „Gold“ mit Matthew McConaughey), vereint meisterlich Film Noir, Krimi und Western zu einem sorgfältig aufgebauten Thriller über human trafficking, Menschenhandel mit chinesischen Zwangsprostituierten: stimmig, humanistisch, bewegend.

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Hell or High Water

No Country for Old Men: melancholisch-sozialkritischer Abgesang auf den American Dream mit Herz für die kleinen Leute

Hell or High Water Cover

David Mackenzie, USA 2016
Kinostart: 12.01.2017
Story: Der geschiedene Vater Toby und sein Bruder, Ex-Sträfling Tanner, rauben im verarmten Westtexas mehrere Filialen einer Bank aus, um die von einer Hypothek bedrohte Familienfarm zu retten. Der vor der Pensionierung stehende Texas Ranger Hamilton und sein Partner Parker nehmen die Ermittlungen auf.
Von Max Renn

Der Brite David Mackenzie, seit „Hallam Foe“ immer noch ein Geheimtipp, gestaltet ein bewegendes Verbrecherdrama im uramerikanischen Neo-Western-Gewand mit enormen Human Touch, basierend auf einem weiteren großartigen Script von „Sicario“-Autor Taylor Sheridan. „Hell or High Water“ umfasst tiefer gehende Charakterstudie, Bankraub-Thriller, Road Movie, modernen Western und Tex-Mex-Noir mit Wirkungstreffern.

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Money Monster

George Clooney und Julia Roberts als Geiseln in einem Thriller, der satirisch Zeitkritik übt und der Gier-Gesellschaft den Spiegel vorhält

Money Monster Cover

Jodie Foster, USA 2016
Kinostart: 26.05.2016
Story: Der windige Showmaster Lee erteilt in seiner Börsensendung Aktientipps, durch die Kleinanleger Kyle sein Vermögen verloren hat. Deshalb stürmt er das Studio, legt Lee einen Sprengstoffgürtel an und verlangt Antworten. Produzentin Nancy lässt die Kameras laufen, die Polizei rückt mit Scharfschützen an.
Von Jochen Plinganz

Ein Wutbürger nimmt Geiseln und ist in Echtzeit live auf Sendung – ein lupenreines Thriller-Konzept, dessen psychologische Extremsituation viel mit dem koreanischen „The Terror Live“ gemein hat. Nur liefert „Money Monster“ trotz zunächst plakativer Gangart kein Börsen-Bashing. Statt simpler Antworten hält uns die spannende wie unterhaltsame Tour de Force den Spiegel vor und liefert ein Stück Zeit- und Gesellschaftkritik ab.

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Triple 9

Triple 9 Cover

John Hillcoat, USA 2016
Kinostart: 05.05.2016, DVD/BD-Start: 14.09.2016

Der Polizeicode 999, kurz „Triple 9“, bedeutet die Ermordung eines Kollegen. Die Copkiller sind aber nicht nur verkommene Verbrecher – sie sind selbst Polizisten in Atlanta und unterscheiden sich kaum von den Gangs und der Russenmafia, die sie in Gestalt einer Matriarchin (Kate Winselt als Ice Queen) zu Raubüberfällen zwingt. Ein idealistischer Neuzugang (Bens Bruder Casey Affleck, „Saints“) und sein Onkel, der drogensüchtige Ermittler Allen (Woody Harrelson überzieht als sleaziger „True Detective“), kommen ihnen auf die Schliche.

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Die Vorsehung

Die Vorsehung Cover

Solace, Afonso Poyart, USA 2015
Kinostart: 31.12.2015, DVD/BD-Start: 03.05.2016

Beinahe geräuschlos nähert sich der mit namhaften Charakterstars gerüstete, dunkle Crime-Thriller „Die Vorsehung“, der im besten Sinne an „Das Schweigen der Lämmer“ und „Seven“ erinnert. Mit dem Unterschied, dass die bizarre Mordserie durch die hellseherische Intuition eines Psychiaters („Hannibal Lecter“ Anthony Hopkins wieder im Dienst des FBI) aufgeklärt wird. Der Mann mit dem Zweiten Gesicht findet im aus Mitleid mordenden Erlöser (selbstgerechte Jesus-Figur: Colin Farrell, „Saving Mr. Banks“) seinen Meister, ein Einfluss, der bis auf Cronenbergs „The Dead Zone“ zurückreicht.

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Sicario

Der War on Drugs in seiner erbarmungslosen Unmoral – eingebrannt in eine brillante Actionthriller-Tour-de-Force mit Star-Trio

Sicario Cover

Denis Villeneuve, USA 2015
Kinostart: 01.10.2015, DVD/BD-Start: 04.02.2016
Story: Nachdem FBI-Agentin Kate mit ihrem Team in Arizona ein ganzes Haus voll Toter entdeckt hat, meldet sie sich zu einer Task Force, die mexikanische Drogenkartelle bekämpft. Aber der undurchsichtige Matt und sein Vollstrecker Alejandro überschreiten alle Grenzen und folgen zudem eigenen Plänen.
Von Max Renn

Nach der Fieberfantasie „Enemy“ kehrt der kanadische Kunstfilmer Denis Villeneuve wieder zur packenden Moralthrillerlandschaft seines Hollywood-Debüts „Prisoners“ zurück. Inhaltlich überträgt „Sicario“ einen Narco-Krimi à la Don Winslow mit dem gnadenlosen Format eines „Gomorrha“ zu dem Hochspannungsstil und der moralischen Ambivalenz von „Zero Dark Thirty“, an den nicht nur ein Nacht-Einsatz erinnert.

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Hyena

Hyena Cover

Gerard Johnson, GB 2014
ohne deutschen Start

Nach dem programmatischen „Tony – London Serial Killer“ bleibt der britische Auteur Gerard Johnson in den Eingeweiden der Stadt für einen Polizei-Noir mit vielen Qualitäten, mehr Drama als Thriller, eine atmosphärisch dichte (Psycho)Studie aus der Halbwelt, unterschwellig intensiv und ungemütlich gewalttätig, aber nie exzessiv (und selten on screen). Der im Retro-Design der Londoner Neon-Nacht auftretende „Hyena“ ist bei Scorseses „Mean Streets“ und Friedkins „French Connection“ in die Lehre gegangen, würzt beides mit einer Prise von Refns „Drive“.

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Run All Night

Im handfesten New Yorker Nacht-Thriller kämpft ein von Killern gehetzter Liam Neeson glaubhaft um das Leben seiner Angehörigen

Run All Night Cover

Jaume Collet-Serra, USA 2015
Kinostart: 16.04.2015, DVD/BD-Start: 03.09.2015
Story: Auftragskillerwrack Conlon wird von Mafiapate Maguire aus alter Freundschaft geduldet. Damit ist es vorbei, als Conlon Maguires psychotischen Filius tötet, bevor dieser seinen Sohn Mike erschießen kann. Maguire schwört Rache: Auftragskiller jagen die beiden zur Großfahndung Ausgeschriebenen.
Von David McAllan

Atemlos durch die Nacht: Mit der Actionroutine von „Unknown Identity“, aber von „Auge um Auge“-Autor Brad Ingelsby weniger ambitioniert als „Non-Stop“ geschrieben, geht die dritte Kooperation von Liam Neeson und Jaume Collet-Serra auf eine Hetzjagd durch New York. Der Nacht-Thriller „Run All Night“ beherrscht sein moderat modernisiertes Old-School-Handwerk und erzielt mehr Tiefe als eigentlich vorhanden.

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Gangnam 1970

Gangnam 1970 Cover

aka Gangnam Blues, Ha Yoo (Yu Ha), ROK 2015
ohne deutschen Start

Südkoreas blut- und gewaltgetränkte Landesgeschichte verdichtet Yu Ha mit dem Entstehungs-Mythos von Seouls Gangnam, seit Psys Hit „Gangnam Style“ der zweifellos berühmteste Distrikt der Hauptstadt. Mit der stylishen Gangster-Saga im 70ies-Period-Look kehrt Yu zum organisierten Verbrechen von „A Dirty Carnival“ (dt: „Straßen der Gewalt“) zurück und dichtet in „Gangnam 1970“ eine, allerdings wenig originelle, Brüderballade, deren Tragik sich diesmal nicht aus der Separation in Nord und Süd (wie „Brotherhood“), sondern der in zwei verfeindete Syndikate speist.

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Ein Junge namens Titli

In dem nur phasenweise eindringlichen indischen Noir-Drama im Arthausmodus lassen die inneren Konflikte unbeteiligt

Ein Junge namens Titli Cover

Titli, Kanu Behl, IND 2014
Kinostart: 28.05.2015
Story: Titli ist der Jüngste einer Kriminellen-Sippe aus Delhis Slumbezirk. Seine beiden Brüder zwingen ihn bei brutalen Überfällen mitzuwirken. Als er fliehen will, zwangsverheiraten sie ihn mit Neelu. Mit der gleichermaßen unglücklichen Braut schließt er heimlich einen Pakt, der Verwandtschaft zu entkommen.
Von Jochen Plinganz

Obschon „Ein Junge namens Titli“ von Bollywood-Mogul Aditya Chopra koproduziert wurde, vertritt er eine Gegenästhetik zur Flamboyanz: Kanu Behl geht weiter seinem Doku-Realismus nach und bringt ein festivalkompatibles Arthaus-Sozialdrama mit Film-Noir-Handlung an. Eigentlich eine feine Kombination, wenn es nicht schlechtweg unmöglich wäre, für Menschen Mitleid zu empfinden, die selbst kein Mitleid kennen.

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Veil of Twilight

Nordische Mittelalter-Mord-Mystery in grandiosen Nebel- und Trollwäldern, aber mit unbefriedigend-eindimensionalem Ablauf

Veil of Twilight Cover

Skumringslandet, Paul Magnus Lundø, N 2014
ohne deutschen Start
Story: Als der schreibkundige Vilhelm 1348 aus Paris in sein norwegisches Heimatdorf Garsli zurückkehrt, ist sein verschwundener Bruder Ansgar wegen Hexerei von der Kirche exkommuniziert worden, die Hof und Mine übernommen haben. Der brutale Bergtor jagt ihn. Und eine Mordserie dezimiert die Einwohner.
Von Max Renn

Die norwegische Medieval Murder Mystery von Paul Magnus Lundø („Mengaloth“) verbindet den Mittellalterkrimi „Der Name der Rose“ mit dem mystischen Abenteuer „Der 13. Krieger“. „Veil of Twilight“ wählt dafür die Volksmärchenweise einer nordischen Saga, die er mit authentisch nachgebautem Dorf und düsteren Bergwäldern superb intensiviert, mit zu kurz kommender Story und Figuren aber wieder abwürgt.

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A Most Violent Year

Bei J.C. Chandor steht einem redlichen Kaufmann das Wasser bis zum Hals – in einer Crime City wie von Sidney Lumet erdacht

A Most Violent Year Cover

J.C. Chandor, USA 2014
Kinostart: 19.03.2015, DVD/BD-Start: 05.08.2015
Story: 1981 haben Kriminalität und Winter New York in ihrem festen Griff. Zahlreiche Überfälle und Drohungen der Konkurrenz zum Trotz wenden Heizöllieferfirmeninhaber Abel samt Gattin Anna nicht die branchenüblichen schmutzigen Tricks an, auch wenn die Steuerbehörden ihnen in die Suppe spucken.
Von Caroline Lin

Nach seinem Segeltörn „All Is Lost“ kehrt J.C. Chandor, Sohn eines Investmentbankers, wieder zurück zum Wirtschaftsthrillerterrain von „Der große Crash – Margin Call“. Im wie immer selbst geschriebenen Crime-Drama „A Most Violent Year“ erreicht er ungeachtet der hervorragenden Schauspiel-Crew – Oscar Isaac als rechtschaffener Firmenchef, Jessica Chastain als seine resolute Frau – jedoch nicht die Stärke seines Debüts.

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Salvo

Liebe in Zeiten der Mafia: Ein kaltblütiger Hitman lernt mit dem Herzen sehen in einer still berührenden Romanze ohne Zukunft

Salvo 2013 Cover

Fabio Grassadonia, Antonio Piazza, I/F 2013
ohne deutschen Start
Story: Mafiapräzisionskiller Salvo hat gerade ein Attentatsversuch auf seinen Boss vereitelt und den Urheber, einen Rivalen, zur Strecke gebracht. Dessen blinde Schwester Rita auch zu töten, bringt er nicht übers Herz und sperrt sie in einer Industriebrache ein. Was seinem Arbeitgeber nicht lange verborgen bleibt.
Von Gnaghi

Sie ist blind, er (beinahe) stumm und beide ein todesromantisches Traumpaar in einer trostlosen „Gomorrha“-Gegend, die den gnadenlosen Hintergrund eines introspektiven Stilllebens über die Ausweglosigkeit eines kleinen Rädchens im unaufhaltsamen Getriebe des organisierten Verbrechens in Italien bildet. Wehe dem, der sehen lernt und das Licht des Humanismus erblickt, warnen Fabio Grassadonia und Antonio Piazza.

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We Still Kill the Old Way

Crime Cartoon statt Sozialrealismus: Das Brit-Gangster-Movie um Rentner-Rache am juvenilen Pack generiert vertretbaren Zeitvertreib

We Still Kill the Old Way Cover

Sacha Bennett, GB 2014
ohne deutschen Start
Story: Als der alternde Londoner Ex-Gangster Charlie die junge Lauren rettet, bevor sie von Aarons brutaler Gang vergewaltigt wird, prügelt ihn die Bande ins Grab. Woraufhin sein Bruder Richie aus dem sonnigen Übersee nach dem Rechten sieht und, als die Polizei versagt, die alten Mafiosi-Kameraden reaktiviert.
Von Max Renn

„We Still Kill the Old Way“ ist nicht mit dem sizilianischen Krimi/Politthriller „Zwei Särge auf Bestellung“ von 1967 verwandt, der auf englisch genauso heißt wie der britische Gangster-Generationenkrieg von Sacha Bennett, der gerne mal in die Londoner Unterwelt abtaucht („Bonded by Blood“). Das knorrige Charisma von „Harry Brown“ erreicht er mit der stereotypen Ruhestands-Revanche mit Tarantino-Easy-Listening nicht.

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