aka The Distance/Der Abstand, Sergio Caballero, SP 2014
ohne deutschen Start
Sergio Caballero, Direktor des Sónar Musikfestival in Barcelona und Ausrichter des sich jedem Verständnis verweigernden, stoischen Experimentalwerks „Finisterrae“, geht seinen kompromisslosen Weg unbeirrt fort. Wieder buchstabiert er mit einer Avantgarde-Komödie das Absurde durch, alle Konventionen und Rezeptionsgewohnheiten verachtend und den skurrilen Humor durchweg deadpan darbietend. Die Handlung? Nun ja: Drei auf russisch rein telepathisch kommuniziere Zwerge, Scumek, Baransky und Vólkov, sollen im Auftrag eines siechen österreichischen Künstlers (erkennbar an der Lederhose und dem toten Kanickel) „den Abstand“ aus einem abgelegenen sibirischen Kraftwerk rauben.
Nicht nur stilistisch eine Sensation: Die Flucht eines Mädchens vor einem viralen Fluch verängstigt mit nacktem, brillantem Grauen.
David Robert Mitchell, USA 2014
Kinostart: 09.07.2015, DVD/BD-Start: 19.11.2015
Story: Ein vermeintlich harmloses Schäferstündchen mit dem sympathischen Hugh endet für die 19-jährige Jay in blanken Entsetzen: Denn damit hat sich der sonst vorsichtige Detroiter Vorort-Teen einen Dämon eingefangen, der sie in wechselnden Gestalten verfolgt. Mit ihren Freunden versucht sie „Es“ aufzuhalten.
Von Thorsten Krüger
Zwischen Horrordrama und -studie sowie dunklem Jugendthriller hat David Robert Mitchell seinen Zweitling nach dem Coming of Age „The Myth of the American Sleepover“ angelegt, Komik und Poesie daraus aber in toxische Angst verwandelt. Der Disturbia-Vorstadtschrecken eines „Nightmare on Elmstreet“ trifft auf den puren Horror eines „Ringu“-Fluchs, der sich nicht per Ketten-Video, sondern Ketten-Sex verbreitet.
Unvermutet unterhaltsame Hitech-Actionsaga, die so göttlich gaga und giga ausfällt, dass es seine Art hat.
Transformers: Age of Extinction, Michael Bay, USA/C 2014
Kinostart: 17.07.2014, DVD/BD-Start: 11.12.2014
Story: Der bankrotte Scheunenhofschrauber Cade findet per Zufall die Überreste von Autobot Optimus Prime. Deshalb werden der verwitwete Vater, seine hübsche Teentochter Tessa und ihr heimlicher Rennfahrer-Freund Shane von der CIA gejagt. Die will mit einem neuartigen Waffenprogramm alle Autobots ausschalten.
Von Max Renn
Im vierten Part der „Transformers“-Reihe, der Auftakt einer neuen Trilogie, ändert sich nur wenig, doch das wirkt sich entscheidend aus: Mit Shia LaBeouf und Megan Fox verabschieden sich Teentölpel und Vollzicke, wofür die sympathischen Mark Wahlberg („Lone Survivor“) mit Filmtochter Nicola Peltz („Die Legende von Aang“) Comedy-Dialoge, sowie Stanley Tucci („Die Tribute von Panem“) – neu! – Selbstironie beisteuern.
Das emphatische Lehrstück über Angst, Freundschaft und die Dämmerung eines Rassenkriegs ist ein erwachsenes (Action)Drama.
Dawn of the Planet of the Apes, Matt Reeves, USA 2014
Kinostart: 07.08.2014, DVD/BD-Start: 05.12.2014
Story: Zehn Jahre, nachdem die Affengrippe die Menschheit dahingerafft hat, floriert Schimpanse Caesars Stamm im Regenwald oberhalb von San Francisco. Da dringen Malcolm und Ellie in das Revier ein, um einen Staudamm für ihre Stromversorgung zu reparieren. Ein Krieg droht, den die drei abzuwenden versuchen.
Von Thorsten Krüger
Matt Reeves („Cloverfield“) steht Rupert Wyatts Regieleistung aus dem Reboot „Planet der Affen: Prevolution“ in nichts nach, womit Tim Burtons mäßiges B-Movie „Planet der Affen“ endgültig vergessen ist. Unprätentiös, aber eindringlich kreist das perfekt getrickste Sequel um Heimat und Familie in einer deutlichen Allegorie auf Indianer und Weiße, wenn auch das Drehbuch vom Vorgänger-Team nicht mehr ganz so beeindruckt.
Guillaume Canet, der den überkonstruierten, aber fesselnden „Kein Sterbenswort“ inszenierte, nimmt sich in seinem mit beachtlicher Schauspielprominenz hochgerüsteten US-Debüt den französischen Thriller „Rivals“ (OT: „Les liens du sang“) vor, bei dem er selbst die Hauptrolle spielte. Darin wie hier stehen sich zwei Brüder auf beiderlei Seiten des Gesetzes gegenüber, was den Brooklyner Polizisten Frank (Billy Cudrup, „Almost Famous“) in Gewissenskonflikte stürzt, als er seinen frisch aus dem Gefängnis entlassenen Bruder Chris (Clive Owen, „Words and Pictures“) bei sich aufnimmt und dieser bald wieder auf die alte schiefe Bahn gerät.
Charakterstarveredeltes Ensemble-Theater vor stimmungsreicher Kulisse um tragikomische existenzielle Langeweile.
Christian Camargo, USA 2014
DVD/BD-Start: 02.07.2015
Story: Anfang der 80er in New England. Zum Memorial-Day-Wochenende trifft sich die Verwandtschaft bei der bissigen Elizabeth und ihrem verzweifelt an einer Kunstinstallation arbeitenden Sohn Eric in einer Datscha mitten in der Natur. Verschwiegene Wahrheiten und Liebessorgen kommen ans Licht.
Von Thorsten Krüger
Das Regiedebüt von Schauspieler Christian Camargo („The Hurt Locker“) ist von Anton Tschechows Theaterklassiker „Die Möwe“ inspiriert, wandelt die russische Tragikomödie aber nicht zur zeitlich und örtlich, sondern auch inhaltlich erheblich ab. Stimmung und Besinnung stimmen in der von Schönheit faszinierten Schauspielgruppen-Komödie, die kontraststark (nacht)fotografiert ist, sich aber hinlänglich belanglos gestaltet.
Um dem Bevölkerungsschwund auf einer dalmatinischen Insel entgegenzuwirken, sabotiert der junge Geistliche Don Fabijan Präservative und Pillen, bis ihm nach neun Monaten die Folgen seines Tuns über den Kopf wachsen. Die kroatisch-serbisch Produktion wäre gerne tragikomisch, wird in den Händen von Vinko Bresan („Marschall Tito’s Geist“) aber zur laschen Dramödie, die sich nicht entscheiden kann, was sie sein soll. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert – das gilt für den Priester wie für den Film, der gut gemeint, aber einschläfernd gemacht ist und nicht im Entferntesten so witzig wie der Trailer ausfällt, weil er seine Pointen ordentlich verschläft.
Effekthascherische Girlie-Mysteryversion von „Black Swan“ mit einer Prise (Asia-)Geistergrusel.
aka Another Me – Mein zweites Ich, Isabel Coixet, GB/SP 2013
Kinostart: 04.09.2014, DVD/BD-Start: 22.01.2015
Story: Seit Fays Vater an MS erkrankt im Rollstuhl sitzt, droht die Ehe an einer Affäre ihrer Mutter zu zerbrechen. Als Fay die Rolle der Lady Macbeth am Schultheater erhält, stellt ihr die neidische Monica nach. Gefährlicher noch ist Fays auch anderen erscheinende Doppelgängerin, die sich in ihr Leben drängt.
Von Gnaghi
„Wir sind hier nicht bei Hitchcock!“, empört sich die alte Kassandra Mrs. Brennan (Geraldine Chaplin). In der Tat nicht: Mit Overacting im „Psycho“-Modus geht der Versuch eines Teeniethrillers zwischen Zielgruppen-Hochglanz und rau-dunklem Teint auch als Telenovela-Psychodrama und Tussi-verliert-den-Verstand-Mystery durch. Eine reine stilistische Spielerei, die ernste Dramatik bemüht, aber kaum Substanz bietet.
Michael Douglas lernt als Ekel Mitgefühl, Liebe und Zuneigung in einer gefällig-gelungenen Familien-Romcom der Ü60-Klasse.
And So It Goes, Rob Reiner, USA 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 15.04.2015
Story: Der misanthropische Immobilienmakler Oren soll sich um seine bislang unbekannte Enkelin kümmern, weil sein Sohn eine Haftstrafe antreten muss. Zunächst versucht er das süße Kind loszuwerden und schiebt sie zu seiner gleichaltrigen Nachbarin Leah ab. Dann verliebt er sich in die verwitwete Lounge-Sängerin.
Von Thorsten Krüger
In einem milden Alterswerk stellt „Harry und Sally“-Regisseur Rob Reiner bewundernswert unter Beweis, wie viel gutes Handwerk ausmacht. Er schafft es, sattsam Bekanntes ohne einen Deut Neues im Autopilot abzufliegen, damit aber so maßvoll witzig, amüsant und charmant zu landen, dass einen diese „Besser geht’s nicht“-Spielart der gehobenen Klasse beachtlich beglückt, auch weil man zwei Veteranen nur zu gerne zuschaut.
Trauerfeiern mit nur einem Gast: Melancholisches Filmjuwel, das zu Lebzeiten Vergessenen postum ihre Würde zurückgibt.
Still Life, Uberto Pasolini, GB/I 2013
Kinostart: 04.09.2014, DVD/BD-Start: 13.02.2015
Story: John May ist penibler „Funeral Officer“, der im Auftrag der Londoner Stadtverwaltung mit großer Hingabe würdevolle Beerdigungen für einsam Verstorbene organisiert. Als seine Stelle nach 22 Jahren wegrationalisiert wird, erledigt er akribisch seinen letzten Auftrag und macht eine Angehörige ausfindig.
Von Caroline Lin
Der Originaltitel des Venedig-Gewinners (Beste Regie für Uberto Pasolini, Luchino Viscontis Neffe und Prdouzent von „Ganz oder gar nicht“) gibt Form und Inhalt viel eleganter wieder. Der britische Nebendarsteller Eddia Marsan („Sherlock Holmes“) berührt in seiner ersten Hauptrolle so wie diese Ode an den Wert der Menschlichkeit, die so leise tragikomisch ausfällt, dass sie fast ein Drama ist. Eines, bei dem die Tränen kullern.
Regengrauer Cop-Thriller, in dem ein Nachwuchsmeisterschütze durch die (Korruptions)Hölle geht, bevor er zurückschlägt.
Fabrice Du Welz, FR 2014
DVD/BD-Start: 07.10.2015
Story: Der gerade mal 25-jährige Vincent ist Waffenexperte für die Polizei. Als der Hobbykonstrukteur einen internationalen Schießwettkampf gewinnt, sind Eliteteams aus aller Welt hinter ihm her. Vincent lehnt ab und begegnet dem Agenten Milo. Der erpresst ihn und missbraucht Vincents Wissen für Morde und Überfälle.
Von Jochen Plinganz
Sechs Jahre Pause gönnte sich der mit „Calvaire“ und „Vinyan“ bekannt gewordene Belgier Fabrice Du Welz, der dieses Jahr in Cannes gleich mit zwei Filmen auftrat – einmal „Alleluia“, eine hochgelobte französischsprachige Fassung der Honemoon Killers, zum anderen diese angespannt-fiebrige „Training Day“-Abwandlung, anteilig auch Film Noir, Charakterstudie und reiner (Action)Thriller: Ein kalt-straffer Männerfilm.