Mud

Großartiger Hinterland-Film-Noir aus den Südstaaten, mit dem Jeff Nichols ein starbesetztes Coming-of-Age dichtet.

Mud Cover

Jeff Nichols, USA 2012
DVD/BD-Start: 05.05.2014
Story: Ellis und Neckbone leben in einer Flusssiedlung in Arkansas. Bei einem ihrer Motorbootausflüge entdecken die Kids den Outlaw Mud, der sich vor Blutrache und Polizei auf einer Insel versteckt. Die beiden Jungs helfen ihm einen Fluchtplan zu schmieden und seine große Liebe zu kontaktieren. Die ziert sich.
Von Max Renn

Ein klasse besetztes und ebenso gespieltes Coming of Age aus dem amerikanischen Süden, das sich eigentlich als handfester Film Noir erweist, hat Jeff Nichols nach eigenem Drehbuch in stilsichere Bilder gegossen, die das ernste Drama dieser Tom Sawyer & Huckleberry Finn, die in eine Selbstjustiztragödie hineingezogen werden, mit unheimlicher Lakonie in naturbelassen fotografierte, herb-schöne Wildnis sublimiert.

Nach seiner Psycho-Apokalypse „Take Shelter“, dessen Hauptdarsteller Michael Shannon in einer kleinen Nebenrolle auftaucht, reist Nichols in „Winter’s Bone“-Terrain, nur klimatisch gemäßigter. Ein authentisches Hinterland mit Ufern und Seen wie in „Beasts of the Southern Wild“, in dem frühreife, abgeklärte 14-jährige (Wahnsinnsentdeckung: Tye Sheridan aus „Tree of Life“) Scheidungsfrust und Erwachsenenprobleme bewältigen müssen.

In einer Welt, in der jeder den anderen aufgibt

Ein Setting, dem argentinischen Sumpfland-Noir „Everybody Has a Plan“ mit Viggo Mortensen nicht unähnlich – nur aus Sicht zweier Jugendlicher, aber mit den Mitteln eines adulten Krimis, der – eine Seltenheit – das rurale Land und seine Protagonisten positiver als die Stadtexistenz zeichnet. In einer Welt, in der jeder den anderen aufgibt und niemand wirklich für einen da ist, werden diese abgebrühten Kids aus Überzeugung zu den einzigen Freunden und Fluchthelfern in einem gefährlichen Handlangerdienst, der ihnen viel Ärger einbringt.

Naturbursche Matthew McConaughey spielt mit verfilztem Haar endlich mal eine emotional überzeugende Rolle, die an keine Parodie grenzt und hat als Redneck-Romeo (Variety) sein Verbrechen aus Liebe begangen – für Südstaatenschönheit Reese Witherspoon („Walk the Line“), die begnadeter denn je zwischen Flittchen und Lost Girl balanciert, während Kopfgeldjäger wie in „Die Nacht des Jägers“ wortkarg die Messer wetzen.

Ballade von Vätern und Söhnen, von ihren Eltern verlassene Kinder

Jeder hat hier seine Vergangenheit, auch Sam Shepard als Ex-Sniper, und vieles ist komplizierter, als zunächst ermessbar. So schwer es ist, Gefühle in dieser rauen Welt zu wahren, die Nichols sensibel, aber unsentimental in großartiger Ruhe und kaltblütiger Beschaulichkeit entfaltet: Mit atmosphärischer Intensität handelt die unpolierte, von der Klimax abgesehen sehr lebensechte Ballade von Vätern und Söhnen, von ihren Eltern verlassene Kinder, vom Verlust von Illusionen sowie der Konfrontation mit Grenzen und Tatsachen. Doch nicht ohne in der bedrückenden Gefahr mit späten Liebesbekenntnissen zu demonstrieren, mit wie viel Herz Nichols ein optimistischer Romantiker ist.

Einer mit berückendem Talent.