Kinostart: 26.09.2013
Wow, dieser Film ist pure Melancholie – aber keineswegs humorlos. Ein Musikdrama mit Seele, übers Erwachsenwerden im New Jersey der Sixties, ein White Man’s Blues zur Zeit von Vietnam und Rassenunruhen. Der bereits 67-jährige „Sopranos“-Schöpfer David Chase erweist sich in seinem Kinodebüt als echtes Nachwuchstalent und verarbeitet Jugenderinnerungen zum Coming of Age, das authentisch Lebensgefühl und Zeitkolorit einfängt.
„Almost Famous“ als Drama statt Komödie: Das erratische Ringen und Versagen einer namenlosen Kellerband, die sich auf einen Ruhm vorbereitet, der nie kommt, umweht die Aura des Tragischen. Die schlingernde Rebellion des schüchternen Möchtegernrebells mit Bob-Dylan-Mopp gegen den grob konservativen Erzeuger will nicht recht gelingen, keiner seiner Träume erfüllt sich wirklich. Alles zerrinnt, verhallt, verrauscht.
In schummrigem Braunspektrum entfaltet Chase keinen Film zum Mitsingen, sondern einen zum Mitflühlen, in dem Dutzende Songs der Stones & Co. Stimmungslagen superb reflektieren. Diese liegen meist in Moll und zeichnen die Konflikte jener Tage nach, ein Zeitporträt, dessen euphorielose Dramaturgie mit ihrem stillen, von Auslassungen geprägten Vorüberziehen eindrucksvoll das vergebliche Aufbegehren einfängt.
Wehmut statt Nostalgie: Unmerklich entwickelt sich ein hochatmosphärisches Charakterbild eines Jungen und der Aufbruchstimmung seiner Generation, deren Bohème-Hippietum gegen autoritären Spießbürgermief opponiert. Wie Chase das ohne Plotpoints schwer untertrieben als langen ruhigen Fluss besingt, den Songtexten und seinen fabelhaften Schauspielern vertraut, ist nicht nur für Vinyl-Enthusiasten phänomenal.
Im Vater-Sohn-Drama zeigt sich Tony Soprano James Gandolfini in einer seiner letzten Rollen vielschichtig. Da geht ein ganz Großer des Schauspielkunst. Einer, der fehlen wird. Aber auch die Jungmimen John Magaro („The Brave One“) als eifersüchtiger Teen mit Samtstimme und Bella Heathcote („Dark Shadows“) passen perfekt in das differenzierte und schwierige Ringen um Abnabelung von Intoleranzeltern.
„Die USA haben der Welt zwei Dinge gebracht: Die Atombombe und Rock’n’Roll.“ Mag die Band auch gescheitert sein, das junge Pärchen kann die Freundschaft – und die Hoffnung – erhalten. Eine mit schicksalsironischem Humor verkündete Botschaft, dass man die Wirren seiner Selbstfindung mit unbedingter Liebe zur Musik versöhnlich meistern kann. Ganz ohne Superstar zu werden.
„Not Fade Away“ ist keinen vergessenen Garagenbands gewidmet. Er sollte es aber sein.