Der Schaum der Tage

Michel Gondry stürzt in das verschrobene Reich seiner Kreativ-Phantasmen, nervt aber mit ausgestellter Brillanz.

Der Schaum der Tage Cover

L’écume des jours, Michel Gondry, FR/BE 2013
Kinostart: 03.10.2013
Story: Auf der Feier einer Bekannten trifft Colin, ein wohlhabende Tagträumer und Erfinder skurriler Geräte, Chloé und verliebt sich in sie. Beide heiraten und ziehen in Colins Wohnung, wo sie sein Vertrauter Nicholas bekocht. Noch auf der Hochzeitsreise erkrankt Chloé unheilbar und ist durch keine Therapie zu retten.
Von Thorsten Krüger

Der für seine verspulten Phantasmagorien so verehrte wie berüchtigte Michel Gondry („Vergiss mein nicht“) nimmt sich des 1947 veröffentlichten Kultromans von Boris Vian an und bombardiert einen expositionslos mit einem Füllhorn an skurrilen Effekten und Eigenbau-Basteleien (in CGI-Stop-Motion), die eine hippe Girlande mit Kuriositäten im Vintage-Look bilden, aber nicht mehr sind als die Summe ihrer Teile. Wem „Holy Motors“ zu profan war, der ist hier richtig.

„Amélie“ Audrey Tautou und Romain Duris („L’Auberge espagnole“) sind einem als Figuren egal (denn sie sind Gondry egal, oder nur schmückendes Beiwerk wie Omar Sy aus „Ziemlich beste Freunde“). Egal, weil man nichts über sie erfährt und mit ihnen fühlen kann. Egal, weil über ihrem Liebes- und Sterbemelodram eine dicke Fantasie-Schicht liegt, die alles verdreht und davon abhält, sich auf die simple Dramaturgie einzulassen. Egal, weil dieser Alternative-Pop-Clip-Stil alles mit forcierter Poesie und Nerd-Kitsch zukleistert.

Jede Idee ist zweifellos klasse, fügt dem Film aber nichts hinzu

Gondry verkriecht sich noch mehr als in „Science of Sleep“ in seiner Kreativ-Verschrobenheit, sein Alter ego, der „süße Spinner“ Colin, führt stolz die Verrücktheit dieser Extravaganz vor. Jede Idee ist zweifellos klasse, fügt dem Film aber nichts hinzu, sondern steht nur für sich selbst. Außerdem hat man keine Zeit, diese stellenweise dadaistische Flut zu genießen, da sie schnell montiert vorüberrauscht.

Mit jedem Dialogsatz, mit jeder Einstellung und jeder Marotte dieses surrealem Traumgespinstes muss Gondry unbedingt seine ganze Brillanz beweisen. So viel Profilneurose ist ultra-anstrengend und auf seine Art ermüdend eintönig, denn es gibt keine einzige normale Szene ohne F/X-Insert, um durchzuschnaufen. Schade, denn diese Nabelschau ohne Bodenhaftung quillt über vor origineller Einfallslust. Aber der Film ist von sich selbst dermaßen fasziniert, dass man als Zuschauer dabei nur stört.