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Soldaten- und Kriegsfilm, der dem deutschen Flieger-Ass Hans-Joachim Marseille, genannt Stern von Afrika, ein Denkmal setzt: 1957 hat ihn Alfred Weidenmann auf der Höhe seiner Kunst in eindringlichen Schwarzweißbildern inszeniert, in die er fugenlos Originalmaterial aus dem Weltkriegsgeschehen einbaut.
Weidemann wählt den nachdenklich-ernsten Stil seines Spionage-Abwehrchef-Porträts „Canaris“, zeitweilig aber kokettiert er mit einer Fortsetzung seines legendären Propagandadebüts „Junge Adler“ um jugendliche Kampfpiloten (der steht bis heute auf der Liste der sogenannten „Vorbehaltsfilme“, was einem effektiveren Verbot als jede Beschlagnahme gleichkommt).
Hans-Joachim Marseille, der seinerzeit jüngste Hauptmann der Luftwaffe, ist ein Mythos. Der erfolgreichste Jagdflieger des deutschen Afrikafeldzuges erhielt das EK I samt höchster Zusatzehren, was ihn bei Feind und in der Heimat fast berühmter machte als seinen Oberbefehlshaber Rommel. Mit gerade einmal 22 Jahren kam er in einem Absturz ohne Feindeinwirkung nahe El Alamein ums Leben – vom Feinde unbesiegt.
Ein liebenswerter Bursche mit kindlich-schönen Gesichtszügen, der mit über 150 Abschüssen schon zu Lebzeiten eine Legende war: Weidemann widmet ihm einen stimmungsvollen Kriegs-, aber kein Antikriegsfilm, dessen Action die wenigen Effekte geschickt kaschiert und aus Rückprojektions-Luftkämpfen mit Miniaturmodellen besteht, aber auch Originalmaschinen (der spanischen Luftwaffe) verwendet.
Ein deutscher Kriegsheld, das darf natürlich nicht sein, was die Filmkritik damals dagegen aufbrachte. Heute, nach Jahrzehnten der Schuldneurose ist Marseilles Schicksal fast vollständig vergessen. Wie auch dieses Werk, das zunächst unbefangen durchs Soldatenleben streift und eine Clique und ihr gefährliches Abenteuer zunächst trivialisiert, bald aber vorrangig die Tragödie der deutschen Jugend aufschlüsselt.
Anders als an der Ostfront, wo „Unsere Mütter, unsere Väter“ wüteten, zählte für Rommels Begleitschutz Ritterlichkeit, die Weidemann von geschliffener Unterhaltung rasch in einen bewegend-starken Abgesang verwandelt, der den Krieg verdammt, aber nicht die Soldaten als Verbrecher verleumdet.
Anstatt des überzeichneten Intrigantenstadls und Kasernenhofzinnobers der „08/15“-Trilogie, erforscht Weidemann in authentischen Landschaftskulissen und ebensolchem Milieu ungewohnt genau Gefühle und Ansichten der gelungenen Figuren, deren Sorge um das eigene Leben ihnen die anfängliche Abenteuerlust vergällt. Zum Ausgleich amüsieren sie sich nach Kräften, was Roberto Blanco als Tanznummer zum Debüt verhilft.
Hunde, wollt ihr ewig leben: Von zu vielen Einsätzen ausgebrannt, verheizt, unterversorgt, geplagt vom Gewissen, das sind Marseilles Kameraden, besonders sein enger Freunde Robert. Poetisch und melancholisch legt sich die Unmittelbarkeit des Todes über jene Fliegerstaffel, die permanent die Engel singen hört. Nur an Marseille selbst (Joachim Hansen, „Ewig singen die Wälder“) prallt das ab, wodurch er in der Geschichte seines viel zu kurzen Lebens zu einem Simplicissimus wird.
Aber einer, in dem es gewaltig arbeitet – erlebt er doch ständig Dinge, über die man nicht reden kann. Bis er, mittlerweile zum Helden der Propaganda stilisiert, obwohl ihm nichts an Ruhm liegt, auf Heimat-Tour Orden von Hitler persönlich entgegennimmt. Und an seiner ehemaligen Schule die Lehrerin Brigitte (stark: Marianne Koch, „Für eine Handvoll Dollar“) kennenlernt und sich ernsthaft verliebt.
Eine traurige Amour Fou beginnt, ein paar Tage des Glücks wie in Douglas Sirks ein Jahr später entstandenes Meisterwerk „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“. Nun bricht sich jäh eine verzweifelte Sehnsucht nach Leben Bahn, zwei Ertrinkende klammern sich aneinander, flüchten nach Rom, im Wissen, dass es keinen Ausweg aus dem Schicksal gibt. „Wer Herz und Verstand hat, hasst den Krieg“.
Wem die Stunde schlägt: Dieser Flieger, dessen Herz Gründe hat, die sein Verstand nicht kennt, vielleicht weil er zu jung ist, ist wie ein kleiner Prinz, ein Antoine de Saint-Exupéry. Hintersinnig, kritisch und mit tragischem Unterton zeichnet sich die Niederlage des Jagdgeschwaders 27 gegen eine vielfache Übermacht ab. „Wir sagen alle Sätze, die nicht zu Ende gesprochen werden“, lautet eines der denkwürdigen Bonmots.
Man sollte sich vom mitunter nonchalanten Tonfall nicht täuschen lassen: „Der Stern von Afrika“ ist Mahnmal für eine ganze Generation geopferter Jugendlicher, deren Mut und Tapferkeit nach der Kapitulation nichts mehr gelten durfte. Unbesungene Helden, derer heute niemand mehr gedenkt. Ein einsamer Epitaph mitten in der Wüste erinnert an Jochen Marseille, fern der Heimat nahe der ägyptischen Mittelmeerküste gelegen.
Das Grabmal auf Google Maps