Ender’s Game

Nachdenkliches Science-Fiction-Drama, das die falschen Mittel einsetzt und damit seinen großen Ambitionen nicht gerecht wird.

Ender's Game Cover

Gavin Hood, USA 2013
Kinostart: 24.10.2013, DVD/BD-Start: 06.03.2014
Story: Ausbilder Colonel Graff wacht am Monitor über den Werdegang des schmächtigen Ender, der als Kadett auf einer Raumstation für einen riskanten Präventivkrieg gegen außerirdische Invasoren gedrillt wird. Trotz unfairer Bedingungen und bösartigen Konkurrenten setzt sich das strategische Genie durch.
Von Thorsten Krüger

War Games: Gavin Hood („X-Men Origins: Wolverine“) verfilmt Orson Scott Cards im angelsächsischen Raum beliebten SF-Kultroman als Boot-Camp-Drama auf einer Raumstation, in der Kinder zu Killermaschinen abgerichtet werden, um einen galaktischen Krieg gegen eine vermeintlich aggressive Spezies zu gewinnen. Ein etwas schwerfälliger Ethik-Diskurs über Manipulation, Kriegsverbrechen und Militarismus.

Das erste Buch der fünfteiligen Jugend-SF-Reihe (dt: „das große Spiel“) um schwere Erwachsenenthemen wie Völkermord, Angriffskriege und (US?-)Arroganz entstand 1985, ist vom Kalten Krieg geprägt und übt verheerende Kritik an einer gewalttätigen Menschheit, die aus schierer Paranoia Kindersoldaten zu Erfüllungsgehilfen ganzer Genozide formt, indem sie diese belügt und bösartig manipuliert.

Abhärtungsdrill zwischen „Full Metal Jacket“ und „Starship Troopers“

Anders als der große Anime-Philosoph Mamoru Oshii, der in „The Sky Crawlers“ meisterhaft empathisch das Schicksal der Kildren ausführte und damit viel über Gamification und unsere Unterhaltungslust an Kriegsbildern erzählte, geht Wood nach eigenem Drehbuch einseitiger zu Werke und wählt, schwankend zwischen Psychodrama und Sense-of-Wonder-Spektakel, zwischen Kritik und Vereinnahmung, oft die falschen Mittel.

Der Kadettenfilm mit Internats- und Knast-Elementen folgt dem Heranwachsen eines Hochbegabten, der sich nur mit List und berechnender Grausamkeit gegen seine aggressiven, wesentlich älteren Konkurrenten behaupten kann, die ihn laufend sadistisch schikanieren. Ein Außenseiter reift zum Anführer, in einem Abhärtungsdrill zwischen „Full Metal Jacket“ und „Starship Troopers“.

Unschuldig eine intelligente Zivilisation auslöschen

Aber es fehlt an Einfühlungsvermögen – weder Hood noch die Darsteller finden einen Weg, die Gefühlslagen der emotionsstarren Figuren veritabel auszudrücken. Wirklich entfalten darf sich keiner, am wenigsten ein grimmiger Harrison Ford. Die Psychologie des auf seelische Prozesse konzentrierten Dramas bleibt grobporig. Und die Dramaturgie arbeitet sich erschöpfend an forcierten, stereotypen Konflikten ab.

Vor allem aber lässt die Underdog-Success-Story mit einem mitfiebern, der unschuldig eine intelligente Zivilisation auslöscht und führt damit geradewegs aufs moralische Glatteis, auf dem auch Paul Verhoeven ausrutschte. Enders Aufstieg packt unwillkürlich, obwohl sich in einem alles dagegen sträubt, diese Nazistory zu genießen. Entsprechend dick ist auch die Message, mit der sich Wood hernach davon distanziert.

Steifes und nur streckenweise überzeugendes Werk

Suzanne Collins „Die Tribute von Panem“ (nur das Buch) und Joe Haldemans „Der ewige Krieg“ gelingt ebenjene zutiefst humanistische, berührende, faschistische Kriegsspiele und Mordverherrlichung verdammende Haltung, nach der Wood verzweifelt sucht. Er verführt nicht nur, sondern entschärft zwischenmenschliche Brutalität, beschränkt Aussagekraft und dramatische Wucht, verschüttet Zwischentöne und Abgründe.

Wenn der darwinistische Kampf fortschreitet, unterstreicht ein großer Score laufend die Bedeutungsschwere und die Kamera klebt an den Gesichtern, als würde damit irgend etwas eindringlicher. Als dann auch noch Ben Kingsley mit Maori-Kriegsbemalung auftaucht, grenzt das steife und nur streckenweise überzeugende Werk zumindest kurzzeitig ans Lächerliche.

Erziehung zum Hass, Aufwachen nach dem Holocaust

Die Kraft vieler Aussagen bleibt dennoch erhalten. So durchsichtig das Gefüge von Macht, Lüge und Manipulation auch sein mag, der dystopisch-didaktische Einfluss ist erkennbar, wenn Kindersoldaten als Handlanger von Völkermördern missbraucht werden und ultimative Massenvernichtungswaffen einsetzen. Wer ist der wahre Feind? Die Antwort darauf kennt der Zuschauer leider von Beginn an.

Nur der Protagonist (Asa Butterfield, „Hugo Cabret“), schmächtiger Milch-Bubi und geborenes Strategie-Genie, benötigt dafür bis zum Ende, reicht dann aber Buße, Schuld und Moral nach, auch wenn dieses Coming-of-Age viel von seiner erschütternden Wirkung verfehlt. Die Ausbildung als Eigentum der Regierung könnte einer Napola entstammen, eine Erziehung zu Gewalt und Hass, mit einem Aufwachen nach dem Holocaust.

Mittelmäßige Adaption mit eleganten Modernisierungen

Dass das Leben kein Spiel ist, macht das Betroffenheits-Gehabe deutlich, wobei andere Aspekte untergehen: etwa ob exponentielles Wachstum automatisch zu einem Ressourcenkrieg führt, ob Konkurrenz statt Kooperation eine unmenschliche Welt erzeugt, in der keine Schwäche erlaubt ist und zur Auslöschung führt und wie uns Gamification verändert. Eine mittelmäßige Adaption, aber auch mit ein paar eleganten Modernisierungen.

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