Workers

Die subversive marxistische Meditation über Ausgebeutete in Tijuana hypnotisiert mit großem Stilwillen.

Workers Cover

Jose Luis Valle, ME/D 2013
Kinostart: 12.12.2013, DVD/BD-Start: 01.07.2014
Story: Das Ex-Paar Rafael und Lidia hat seit Jahren kein Kontakt mehr, beide ackern aber Tag und Nacht stets zuverlässig für ihre Arbeitgeber. Als Lidias reiche Luxusschachtel stirbt und der Hund alles erbt, sowie Rafaels Firma ihm die anstehende Rente verweigert, holen beide zum Schlag gegen die Halsabschneider aus.
Von Thorsten Krüger

Das von meisterhaften Arthaus-Stil geprägte Spielfilmdebüt Jose Luis Valles, der 2009 die Papst-Doku „El milagro de Papa“ drehte, reiht sich in die Autorenfilmtradition seines Landsmanns Carlos Reygadas („Stilles Licht“) ein und gemahnt an die Mexiko-Arbeiten Luis Buñuels („Die Vergessenen“): Eine weise Kontemplation über Arbeiter, subversive Studie der Ungerechtigkeit und Farce um die Rache der Unterdrückten.

„Schau nicht auf den Müll, der ist hässlich“: Aber genau das machen bedächtige Kamerafahrten und Installationen in bisweilen minutenlangen Einstellungen – sie erschaffen poetische Stillleben der Gosse, wo Eiswagen Nutten am Straßenstrich versorgen. Die schmutzige Drecksstadt Tijuana, wo ein jeder seine Dienste anbietet, verkauft, mitunter sich selbst – in diese Orte und seine Arbeitsabläufe versenkt sich Valle aufreizend langsam.

Porträt einer als Drogenhochburg verhassten Stadt

Das Hässliche wird schön in diesem Porträt einer als Drogenhochburg verhassten Stadt und seiner Bewohner, wo Luxus und Elend koexistieren. Valle beobachtet das Arbeitsleben, spürt den langen Wartepassagen schweigend nach, Musik gibt es nur on screen. Zwei Handlungsstränge entfalten sich parallel, fordern sehr viel Zeit ein, enthüllen nach und nach persönliche Hintergründe – aber die haben es in sich.

Wie der wortkarge Analphabet Rafael stammt auch Valle aus El Salvador und zeichnet das Leben eines von Diskriminierung geformten Illegalen nach, der an einem Ort gestrandet ist, wo er nie hinwollte – und das ausgerechnet in Mexiko statt den USA. Diesem fast verstummten Mann verleiht Valle ausdrucksstark eine (visuelle) Stimme, offenbart den erschütternden Lebensweg eines stets Betrogenen, Verratenen, Verkauften.

Unschuldige müssen Frust und Gewalt ausbaden

„Gott tut schreckliche Dinge“: Was die Protagonisten, aber auch Nebenfiguren an inneren Verletzungen erfuhren, was an Erinnerungen verborgen in ihnen schlummert, nimmt an stiller Eindringlichkeit unaufhaltsam zu. Worüber sie nie sprechen wird formuliert: was sie erdulden mussten, aber auch was sie selbst getan haben, addiert sich zur melancholischen Seelenlast geplatzter Träume – Schicksalsschläge, die Schicksale formen.

Stets haben sie ein- und zurückgesteckt, waren getreue Leibeigene, die nun ihr eigenes ungelebtes Leben zurückfordern, spät: Sie ersinnen bösartige Rachepläne, unter denen ein unschuldiger Windhund, der nichts von seinem Reichtum weiß, zu leiden hat, wie ohnedies Unschuldige Frust und Gewalt ausbaden müssen. Die Selbstermächtigung der Ohnmächtigen, die Sabotage der Ausgebeuteten erzeugt auch neue Opfer.

Nachdenkliche Parabel auf die conditio humana

Man kann sich denken, dass Lidias Arbeitgeberin die Mutter eines Drogenbarons ist – der einzige Berührungspunkt mit einer für ihre Narco-Kriminalität berüchtigten City, der Valle ambivalent begegnet und darüber eine Lehre der Ästhetik entwirft: „Als Kind kommt einem alles schön und groß vor, später klein und hässlich“ – beide Perspektiven verschieben sich hier auf wundersame Weise übereinander.

Das Machtgefälle zwischen Arm und Reich, das sich im Verlauf fast surreal umdreht, verdeutlicht Valles nur vordergründig marxistischer Blick. Mit seiner Darstellung von Gefangenen, der einsame Wellensittich in Rafaels Wohnwagen ist Sinnbild dafür, und ihrer beharrlichen Selbstbefreiung entsteht Kino der Menschenwürde, eine nachdenkliche Parabel auf die conditio humana am Grenzzaun, realen und metaphorischen Trennlinien.

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