Venezianische Freundschaft

Unsentimental, von Poesie beseelt und tief berührend: Immigranten-Melodram in Venedigs Lagune um eine wunderbare Freundschaft.

Venezianische Freundschaft Cover

Io sono Li, Andrea Segre, I/FR 2011
Kinostart: 05.12.2013
Story: Als Lohnsklavin Shun Li von der chinesischen Mafia von Rom in ein Café nahe Venedig versetzt wird, lernt sie beim abarbeiten ihrer Schulden den seit 30 Jahren dort lebenden kroatischen Fischer Bepi kennen. Li hofft ihren 8-jährigen Sohn freikaufen zu können und freundet sich mit dem verständnisvollen Poeten an.
Von Caroline Lin

Es geht ein kalter Wind, doch er erwärmt das Herz: Die Lyrik Qu Yuans, einem bedeutenden Dichter der chinesischen Antike, löst tiefe Gefühle aus in einem subtilen Freundschaftsmelodram, in dem Sozialforscher Andrea Segre dokumentarisch leisen Sozialrealismus mit neblig-trüben Stimmungsstillleben des der Lagunenstadt vorgelagerten Fischerorts Chioggia visuell wie narrativ fernab aller Postkartenklischees vereint.

Ganz zurückgenommen beschreibt er lebensnahe Verhältnisse, die in einer von traditionellen Fischern besuchten Osteria zu einer freundschaftlichen Annäherung wie zwischen Vater und Tochter führen und zwei Seelenverwandte mit einer Ader für Dichtkunst Momente puren Glücks mit dem Zuschauer teilen lassen. Doch dieses melancholisch-romantische Gedicht inmitten bedrückenden Wirklichkeit spielt in einer kalten Welt.

Ein kleines herzergreifendes Meisterstück

Weshalb Schwermut, Sehnsucht, Einsamkeit und Heimweh die Dominanten einer so zärtlichen wie einfühlsamen Erzählung sind, die mit ihrer vollkommen unsentimentalen Art nachhaltig bewegt. Zwischen Rade Serbedzija („Vor dem Regen“) als verwitweter Poet und dem grandiosem Glücksgriff Zhao Tao („Still Life“) als Mutter, die ihren Sohn schmerzlich herbeisehnt, blüht ein inniges Verhältnis auf.

Segre hält mit Gefühlen Haus, spürt einem Dasein in Schuldknechtschaft vorsichtig nach, legt mit nuancenreichem Naturlicht alle Spuren der Poesie frei. Bis, in Gedenken an Qu Yuan, ein Licht im Meer von dem bittersüßen Sieg von Nächstenliebe und Schönheit über ein jedes Glück im Ansatz abwürgendes, winterliches Klima aus Intoleranz, Fremdenhass und auf Arbeitskraftausbeutung beruhender organisierter Kriminalität kündet.

Ein kleines, reifes, herzergreifendes Meisterstück, das an die besten Arbeiten von Giuseppe Piccionis („Nicht von dieser Welt“) anknüpft und jedes Ausrufezeichen verdient hat.

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