Kinostart: 21.11.2013, DVD/BD-Start: 27.03.2014
Hinkte der erste Teil dem genial-gefühlvollen Buch noch deutlich hinterher, schließt der neu hinzugezogene Regisseur Francis Lawrence („I Am Legend“) zu Suzanne Collins’ fast ebenso starken Nachfolger auf. Anders als dumpfer Teen-Schmonz wie die „Twilight“-Reihe ist die „Hunger Games“-Trilogie eine reife, düster-erwachsene Auseinandersetzung mit der Unmenschlichkeit faschistischer Militärdiktaturen.
Niemand gewinnt die Spiele – man überlebt sie nur: Fies-finsterer Humor und sarkastisch-pointierte Dialoge reflektieren die Bitterkeit der Situation, in der Katniss (sensibel-verstört: Jennifer Lawrence) steckt und in einem emotionalen Spagat die Verlogenheit der Werte anprangert. Während das Imperium Sympathisanten foltert und tötet, muss sie gegen erfahrene Killer ihr Trauma erneut durchleben, wodurch ihre Psyche bröckelt.
Wenn diese Königin der Herzen als freudlose Cleopatra ins Show-Colosseum einfährt, rührt sie als Todesbraut, die in einer Schock-Doktrin lernt, die abstoßenden Tricks von Spielleiter Plutarch (neu: Philip Seymour Hoffman) mit seinen eigenen Propaganda-Waffen zu parieren. Der eigentliche Kampf in der „Lost“-Arena fällt dagegen ab, weil das Mädchen in Flammen als Lockvogel eines Plan dient, in den sie nicht eingeweiht ist.
Mehr als im darin nur bedingt geglückten Erstling positioniert sich der zweite Part als aktuelle Warnung vor (Zukunfts-)Schrecken: Die Kritik am inhumanen System ist eindeutiger, die moralischen Dilemmata intensiver, das Leiden der Unterdrückten (einschließlich der Tribute) bestürzender. Ein bewegender Blockbuster, der fast wie ein Anti-Blockbuster funktioniert, als großes Star-Action-Drama auf hohem Niveau.
Besser herausgearbeitet ist der Kontrast zwischen Schein und Sein, Lüge und Realität, zwischen der dekadenten Medien-Vergnügungsgesellschaft und einer mit barbarischer Hi-Tech-Gewalt massakrierten Zivilbevölkerung. Kitsch und Zynismus gegen Menschenwürde und Freiheit: Erstere werden durch die Subversion der Tribute in beeindruckend wirksames Pathos verwandelt, bei dem einen ein Kloß im Hals steckt.
Parallelen zum arabischen Frühling gegen mordende Diktatoren sind zwangsläufige Verknüpfungen einer traurig-wütenden Dystopie, die aber auf jedwede Unterdrückungs-Tyrannei anspielt. Aber besonders pikant wirkt der Einsatz eines Neurotoxins, der augenblicklich an Assads Nervengas-Massaker in Syrien denken lässt. Oder auch der „Dorf der Sieger“-Schriftzug, der fatal der Form des „Arbeit macht frei“-Siegels gleicht.
Einzig, dass die Figur Finnicks ihre im Buch überraschend tiefe Tragik und Vielschichtigkeit verliert, nehme ich dem Film persönlich übel. Davon abgesehen, hält Francis Lawrence einen menschlich-bewegenden Sci-Fi-Kampf um Überleben und Würde glatte zweieinhalb Stunden durch, in dem Effekte und Stars nie in ein Spektakel ausarten, sondern sich einer erschütternden Geschichte unterordnen, in der Liebe Rebellion ist.