Kinostart: 05.12.2013, DVD/BD-Start: 10.04.2014
Zehn Jahre, nachdem Park Chan-wooks in Cannes prämierte Kult-Groteske Asiafans um sich scharte, wagt der längst kommerziell orientierte Ex-Politfilmer Spike Lee („Malcom X“) das US-Remake. Da mir das Original nie wirklich gefiel, bin ich der Neuadaption wohl aufgeschlossener als eingefleischte Park-Verehrer: Der wüste Rache-Thriller um grausame Einzelhaft und Doppel-Inzest ist dramaturgisch viel schlüssiger.
2003 setzte Park im zweiten Teil seiner Revenge-Trilogie auf eine schwarze Crime-Komödie, die mehr surreale Manga-Madness war: eine nihilistische, monströse Phantasmagorie psychischer Totalschäden, die (wie ihr Protagonist den lebenden Tintenfisch) das Leben verschlang. Allein der obskuren Story war schwer zu folgen – Lee legt Motive und Handlung offen, arbeitet Unterschwelliges klar konturiert heraus.
Der wild-absurden, aber cartoonesken (und damit harmlosen) Gewalt verleiht er einen derb-realistischen Schub, der von krassen Hammer-Attacken auf eine Hundertschaft, dem Demolieren eines ganzen Footballteams und expliziten Folterszenen im Torture-Porn-Stil reicht. Darin erhält das Leiden des Schmerzensmanns mit seinem Narbenkörper (sehr intensiv: Josh Brolin) die Ungemütlichkeit der darwinistischen „Saw“-Philosophie.
Lees Remake ist leichter zugänglich, sein Protagonist stärker charakterisiert: ein desillusionierter Zyniker der abstoßenden Art, der in zwei Jahrzehnten grundloser Einzelhaft seinen Alkoholismus beendet und Besserung gelobt. Sein Hirn wird Matsch, der Körper Stahl. Doch Erlösung bedeutet Vernichtung, Erkenntnis Wahnsinn in einem bösartigen Vernichtungsfeldzug samt Mind Fuck, der die totale Manipulation ausruft.
Kleine Spitzen gegen die suggestive Wirkung des Fernsehens sind hintergründig, kleine Hinweise auf Asien eine Hommage, mangelhaft hingegen die Glaubwürdigkeit einer vollständigen Videoüberwachung durch eine allmächtige Organisation. Mag die gesteigerte Grausamkeit auch existenziell beklemmen, mit einem schrägen Auftritt von Samuel L. Jackson stört Lee sein drastisches Kolorit und schlittert unabsichtlich ins Skurrile.
Die Odyssee eines Gezeichneten, erst als Ein-Personen-Psychoknastdrama, anschließend als Thriller-Puzzle mit Familientragödie überschreitet immer wieder Gewaltgrenzen und brennt sich dadurch in die Synapsen – schließlich geht es darum: Empathie durch krasse Selbsterfahrung lernen, was hier in den Wahn und selbstgewählte Isolation führt, weit expliziter und packender, dafür weniger halluzinativ und aberwitzig als bei Park.