DVD/BD-Start: 30.04.2014
Was in eines Herzensgrunde liegt und geheilt werden muss, findet Francesca Gregorinis in Sundance nominierte, stilvolle Alternativ-Ballade seltsamer Gefühle auf sensible, eindringliche Weise heraus. Fast viktorianisch zart taucht sie in geheimnisvolle Halluzinationen und Vorstellungen einer Suburbia-Teenagerin ein, porträtiert dabei leicht komisch Familie und Umfeld, primär drei Frauen, aber auch drei Männer.
In Teilen eine Vorstadt-Familiendefekt-Story in Anlehnung an „Ghost World“ und „American Beauty“, ist das Coming of Age einer sarkastischen Misanthropin, die sich selbst nicht verzeihen kann, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt starb, eine stilistisch berückende, eigenständige Reise in wundersame Welten – ob Emanuels Kopf oder das Nachbarhaus: geruhsam-traumhaft in Dekor, Design und Narration.
Das Leben ist ein seltsamer, erstaunlicher Traum: Ein Hauch Übernatürliches schwingt mit, ohne je ins Gothic-Genre zu wechseln oder rätselhaft zu raunen. Dennoch erweist sich dieses ganz eigene, private Universum als allumfassendes Mysterium. Zwischen Zauber und Bedrückung, Versunkenheit und Realismus, absurd und wahr oszilliert Gregorinis Diktion. Eine sonderbare Wirklichkeit im Wechsel eigenartiger Regungen.
Der schönen Kaya Scodelario („Moon“) gelingt es, einem schwermütigen, missgünstigen, forsch-unfairen und einsilbigen Mädchen Sympathie zu verleihen, Mitgefühl für ihre morbiden Gedanken zu wecken. Wie sie durch die Wahnvorstellung der Nachbarin (Jessica Biel), eine Art weibliche Umkehrung von „Lars und die Frauen“, sich unverarbeiteten Schuldgefühlen und Selbsthass durch eine bizarre Konfrontation stellen lernt, über romantische Bande mit dem Jungen Claude, schwankend zwischen Attraktion und Abstoßung, löst bei zwei Frauen einen Realitätsschock aus.
Das Drama über Tragödien, die in einem arbeiten und in der Fantasie ein Eigenleben entwickeln, handelt von Baby-Psychosen und existenziellen Erschütterungen. Diese sind jedoch schwebend wie ein Traumgespinst inszeniert. Wenn Emanuel in einem Fruchtwassermeer taucht, dessen Rauschen sie stets wahrnahm, verbindet sich das zu einer symbolvollen Phantasmagie, die als kleines, starbesetztes Werk erstaunlich großartig gerät.
Gemeinsam mit einer unbeholfen überbemühten Stiefmutter (Frances O’Connor, „A.I.“) und einem schicksalsergebenen Vater (Alfred Molina, „Spider-Man 2“) entwickeln sich irgendwann odd family values, ein Nabel zu Leben und Gemeinsamkeit, zu von Emanuel neidvoll beäugter Annäherungen, wie zwischen ihrem schrägen Mitarbeiter Arthur und Linda. Die Menschen finden und heilen einander – man muss es nur zulassen.
In all den Spiegelungen des Ich verliert Gregorini nie den Fokus, nie die sanfte Rührung, die in der Gleichzeitigkeit von erstem und letztem Atemzug liegt, dem Abschließen mit seelischem Verkriechen und selbstgeschaffenen Geistern. All das kulminiert in einer einfühlsamen Puppenbeerdigung, in der sich handfeste Hilfe für andere als beste Medizin für eigene Verwundungen erweist. Trauern hat seine Zeit. Leben auch.