Kinostart: 13.03.2014, DVD/BD-Start: 12.09.2014
Dass aus Bestsellern automatisch Premiumkino werden muss, aber nicht automatisch gelungenes, beweist Brian Percivals Adaption von Markus Zusaks gefühlvollen Welthit: Ein „Tagebuch der Anne Frank“ für Beschränkte als unfassbar naiver Tränendrüsen-Schmalz zum Fremdschämen. Diese Dramödie nimmt ungelenkt wie „Der Junge im gestreiften Pyjama“ das Dritte Reich auf dem geistigen Niveau eines Kindes wahr.
Es ist eine Fehlannahme, zu glauben, ein Kinderfilm über Judenverfolgung, Bücherverbrennung und alliierten Bombenterror benötige billige Spannungsmechanik, seifenoperartige Gut-Böse-Schemata und schundiges Schmierentheater. Wie es besser geht, kann man nicht nur bei Anne Frank, sondern auch in „Die Vorleserin“, „Fahrenheit 451“, oder dem japanischen Kriegszeitendrama „Kabei: Our Mother“ erfahren.
Der Versuch, die wortgewaltige Poesie des Buchs nachzuahmen, geht voll in die Hose: Der Tod als blumiger Erzählonkel im Voiceover wirkt krass unpassend. Diese Melodramatik gelingt vielleicht „In meinem Himmel“, aber nicht Percival („Downtown Abbey“), dessen Inszenierung vor dämlichen Szenen nur so strotzt. Von seiner Zauberhaftigkeit überzeugt und der saumseligen Bibliophilie eingenommen, erschafft er nur Klischees.
Dagegen kämpfen zwei begnadete, sensationell agierende Darsteller an: Geoffrey Rush („Fluch der Karibik“) als hinreißender Vater ist allein schon ein Genuss, aber Sophie Nélisse, die schon in „Monsieur Lazhar“ gefielt, ist schlicht eine Wahnsinns-Entdeckung, entzückend, verletzlich, stark. Dafür nervt Emily Watson als miesepetrige Schimpffurie gewaltig. Rush und Nélisse retten somit einiges, aber beileibe nicht alles.
Dieses Ganze nämlich ist dermaßen unecht, unglaubhaft, verkitscht und simplifiziert, dass es sich zum Ärgernis auswächst, dessen Script die Figuren andauernd zu strunzdummen, gefährlichen Aktionen zwingt. Der Handlungsort – ein grauer Straßenzug unter grauem Himmel – bleibt damit nicht das fiktive Molching bei München, sondern wird trotz schöner altdeutscher Architektur zum verlogenen Fantasieprodukt Hollywoods degradiert.
PS: Unbedingt Markus Zusaks sprachpoetisches Meisterwerk von 2005 lesen!