Nächster Halt Fruitvale Station

Ein empörender Mord: Das sensible Dokudrama um die letzten 24 Stunden des Oscar Grant bewegt und verstört.

Fruitvale Station Cover

Fruitvale Station, Ryan Coogler, USA 2013
Kinostart: 01.05.2014, DVD/BD-Start: 24.09.2014
Story: Der 22-jährige Oscar Grant verbüßte als Marihuana-Dealer eine harte Zeit im Knast. Nun versucht der mit einer Latina liierte Vater einer kleinen Tochter damit abzuschließen, verliert aber seinen Job. In der Silvesternacht 2008 gerät er mit Freunden an rassistische Polizisten, die ihn einfach erschießen.
Von Thorsten Krüger

Ryan Cooglers Sundance-Gewinner (großer Preis der Jury und Zuschauerpreis) ist keine ungelenke Propaganda oder konstruierter Betroffenheitsquark wie „L.A. Crash“, sondern das unbedingt nahegehende Porträt eines Gestrauchelten, der wieder Fuß zu fassen versucht und dann Opfer von abstoßender Polizeigewalt wird. Eine unsentimentale, einfühlsame und deshalb entsetzlich wirksame, beklemmende Tragödie.

Die traurige Geschichte ist leider wahr: In den Morgenstunden des Neujahrstages 2009 schossen weiße Cops dem auf dem Boden niedergedrückten Oscar Grant in den Rücken, er verstarb kurz darauf im Krankenhaus. Der empörende Mord in der titelgebenden Bahnstation wurde von zahlreichen Zeugen auf Handy mitgefilmt und löste eine Protestwelle aus wie in ähnlichen Fällen von Rodney King oder zuletzt Trayvon Martin.

Verleiht Oscar Grant und seinen Angehörigen Menschenwürde

Dass der Täter dafür nur 11 Monate verbüßte, bevor man ihn laufen ließ, ist mindestens so schockierend wie der in einer halben Stunde minutiös rekonstruierte Tathergang. Ein Wut auslösender Film, der jedes Vorurteil über brachial-martialische US-Cops bestätigt. Aber Coogler widmet sich nicht ihnen, sondern Oscar und seinen Angehörigen, denen er auf nuancierte – und völlig klischeelose – Art Menschenwürde verleiht.

Dieser dezente, pathosfreie humanistische Impetus lässt sich auf einen Straffälligen ein, der damit ringt, zu Verantwortung und legalem Leben zurückzufinden. Oscar (hervorragend: Michael B. Jordan, „Chronicle“) musste harte Lektionen hinter Gittern lernen, kämpft nun mühsam darum, auf den richtigen Weg zu kommen – ein Unschuldslamm ist er nicht. Aber dass er all das hinter sich lassen will, steht außer Frage.

Krasses Beispiel blindwütiger Gewalttätigkeit in Uniform

In passendem Handkamera-Stil und mit wunderbaren Darstellern, darunter Oscarpreisträgerin Octavia Spencer („The Help“) als Oscars Mutter, begeht Debütant Coogler einen symbolträchtigen Festtag mit dieser Familie. Sein wehmütiger Blick auf das gelöste Beisammensein ist bittersüß – einmal wegen Oscars finanzieller Sorgen, zum anderen in Vorahnung des kommenden Unglücks. Oder besser: Unrechts.

Das Wort Rassismus fällt zwar nie, aber der ganze Film handelt von der unsichtbaren Trennlinie, die sich zwischen Schwarzen und Weißen zieht. Als Oscar mit Clique und Freundin auf dem Weg zum Feuerwerk in San Francisco unverschuldet in ein Gerangel gerät, setzt sie die aggressive Boot-Camp-Polizei fest. Was dann folgt, ist ein krasses Beispiel blindwütiger Gewalttätigkeit in Uniform und so widerwärtig wie es nun einmal ist.

Die Ode an Opferrechte lässt fassungslos zurück

Die erschütterndsten Emotionen legt aber erst der aus Sicht von Freundin und Mutter geschilderte Todeskampf in der Notaufnahme frei, wo die Angehörigen, die vorher nicht zum Sterbenden durften, stundenlang um sein Leben bangen. Wenn eine Mutter dann Abschied nehmen muss und die ahnungslose vierjährige Tochter „where’s daddy?“ fragt, lässt einen diese stimmungsvolle Ode an Opferrechte vollkommen fassungslos zurück.

Ein Gedanke zu „Nächster Halt Fruitvale Station“

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