Youth

Realitätsnahes Suspense-Drama um eine misslingende Amateur-Entführung als galliger Soziokommentar auf die Verhältnisse in Israel.

Youth Cover

Tom Shoval, ISR/D/FR 2013
Kinostart: 23.01.2014
Story: Am Rande Tel Avivs sind die Coopers von der Zwangsräumung bedroht. Um den depressiven Vater mit Lösegeld zu retten, entführen die gerade volljährigen Brüder Shaul und Yaki heimlich eine reiche Mitschülerin. Die wenig durchdachte Aktion droht aus dem Ruder zu laufen und ihr Opfer zu sterben.
Von Thorsten Krüger

Endlich kommt ein israelischer Film, der nicht vom Nahostkonflikt handelt, in die Kinos. Dafür serviert uns Regienovize Tom Shoval einen unangenehm realitätsnahes Suspense-Drama um eine misslingende Entführung. Ein beklemmender Sozial-Thriller, der nicht nur Parabel auf eine amoralische Jugend, sondern eine solche Gesellschaft als Ganzes ist, wo man im Linienbus unbehelligt Menschen kidnappen kann.

Mit wackelfreier Steadycam entwickelt sich im Autoren- und Indie-Stil eine Studie zweier nicht ganz heller Brüder (überzeugend von Zwillingen verkörpert), die etwas im Schilde führen. Der eine mit beunruhigendem Fischblick, der ältere gewissenloser und entschlossener, aber beide völlig überfordert: Sie haben die Verschleppung einer reichen Mitschülerin mit vorgehaltener Armeewaffe nicht zu Ende gedacht.

Viel geht schief, aber das Lachen bleibt einem im Halse stecken

Daraus wird fast ein „Fargo“-Ableger, nicht als schwarze Mord-Farce, sondern als lebensnahes Familiendrama um zwei ahnungslose Eltern und ein im Luftschutzkeller unter ihnen gegen den Erstickungstod ankämpfendes, gefesseltes und geknebeltes Opfer. Wegen des Sabbats gehen ihre Eltern nicht ans Telefon, die Sache wird zur Qual für das Opfer und zur Nervenprobe für die Täter, die vor Besuchern heile Familie spielen müssen.

Viel geht schief, oft stehen sie als Idioten da, aber das Lachen darüber bleibt einem im Halse stecken, zu brenzlig ist die Situation und ihre Folgen. Am Ende haben sie kein Geld, dafür Schuld und wegen einer unerwarteten Tragödie Wut und Verzweiflung aufgeladen, mit der sie in das nächste Verhängnis schlittern. Dazwischen sieht man viele Schattierungen eines Landes, wo Mitgefühl allgemeiner Verrohung gewichen ist.

„Schuld und Sühne“-Anspannung mit gallig-bitterer Botschaft

Der sparsam eingesetzte Punkrock gibt die nihilistische Richtung vor, Shovals eigenes Script erklärt wenig: man weiß nicht, wo sie wohnen (bei Tel Aviv), was sie planen, ahnt man zwar, aber nicht warum (ernsthafte Geldsorgen) und für wen (aus Liebe zu ihrer Familie). Die Bedrouille nimmt ihren Lauf aus Sicht der schizophren agierenden Jungs: ihr Opfer entmenschlichen sie roh und grob, um ihre Familie sorgen sie sich artig.

Realität aber ist etwas anderes als die juvenile Bemächtigungsphantasie der Gangsterepen, nach deren Vorbild die Filmfans handeln. Zugleich lässt Shoval diese Gesellen vor der Justiz davonkommen – nicht aber vor ihrem Schicksal. Teils entwickelt sich dieser Kommentar zu einer moralisch verkommenen Urbangesellschaft etwas zäh, aber die „Schuld und Sühne“-Dauerspannung und die gallig-bittere Botschaft nimmt einen gefangen.

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