Auge um Auge

Sechs Charakterstars spielen groß auf in der milieustarken Elegie einer sterbenden Industrienation samt gewalttätigem Rachedrama.

Out of the Furnace Cover

Out of the Furnace, Scott Cooper, USA/GB 2013
Kinostart: 03.04.2014, DVD/BD-Start: 07.08.2014
Story: Stahlarbeiter Russell muss für einen unverschuldeten Autounfall länger ins Gefängnis, derweil ihn die Freundin verlässt, der kranke Vater stirbt und der junge Bruder, der seelisch versehrte Irakkriegsveteran Rodney, mit Barknucklefights seine Schulden zu tilgen versucht und an einen brutalen Drogendealer gerät.
Von Thorsten Krüger

Ohne Selbstjustiz geht’s in den USA einfach nicht: Im tristen Rust Belt angesiedeltes Amalgam aus Sozialdrama, Milieustudie, Film Noir und Rachethriller, reichlich gespickt mit für Trophäen groß aufspielenden Charakterstars. Christian Bale und besonders Woody Harrelson als wandelnde Gewalttat leisten Beeindruckendes in dieser schwarzen Workers Ballad, ein „Die durch die Hölle gehen“-Update mit Irakkriegsveteranen.

Wenn Bens „kleiner“ Bruder Casey Affleck („Gone Baby Gone“) mit von der Partie ist, weiß man immer, dass ein brutaler, kleiner Noir-Thriller entsteht, abseits vom Hochglanz-Schuss. Auf ähnlichem Terrain, dem einer verfallenen Industrienation spielend, wie zuletzt „Prisoners“, „Warrior“ und „The Fighter“, bleibt Scott Cooper der Stimmung seines Oscargewinners „Crazy Heart“ treu, verschärft aber Milieu und Gangart.

Das Verbrechen triumphiert, der ehrliche Arbeiter geht vor die Hunde

In elegisch langsamer Lakonie entwickelt sich in Obamas Wahljahr das Drama eines vom Glück verlassenen Mannes (wenn nicht einer ganzen Familie). Das Verbrechen triumphiert, der ehrliche Arbeiter geht vor die Hunde. Wenig ist in diesem verrosteten Land noch in Ordnung, die unfähigen Gesetzeshüter haben vor den Backwood-Drogendealern kapituliert, das Bergland ist eine gesetzlose Zone – ein Hauch Western weht hindurch.

Mit mobiler Kamera vollzieht Cooper einen Sozialrealismus nach „Winter’s Bone“-Art, der dem Zuschauer selten einen Schritt entgegenkommt und unsentimental wie anspruchsvoll mit Tiefe und Gefühl knapp haushält. Eine durchaus kraftvolle Kriechdramaturgie, die dennoch lange nicht an ihr allein schon optisch wesentlich brillanteres großes Vorbild „The Deer Hunter“ heranreicht. Scott Cooper ist eben kein Michael Cimino.

In den 70ern war so etwas Mainstream

Aber er weiß weitgehend, was er tut. Die Geschichte eines Mannes, gegen den sich alles wendet und dem viel verwehrt bleibt, zwängt er nur überflüssigerweise in die Form einer Rachenahme. In den 70ern war so etwas Mainstream. Heute ist es für die Academy gefertigte Arthausware, doch insgesamt zu magere, um ernsthaft Oscarhoffnungen zu begründen. Andererseits: Bei den Oscars wundert mich schon lange nichts mehr.

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