Cerro Torre – Nicht den Hauch einer Chance

Sehenswerte Doku über einen vier Jahre dauernden Versuch, einen Killerberg in den Südanden zu erklettern.

Cerro Torre - Nicht den Hauch einer Chance Cover

Cerro Torre: A Snowball’s Chance in Hell, Thomas Dirnhofer, AU/ARG 2013
Kinostart: 13.03.2014, DVD/BD-Start: 07.10.2014
Story: Noch nie konnte der Cerro Torre in Patagonien im Freikletterstil erklommen werden. Der 19-jährige österreichische Jugendweltmeister David Lama hat es sich deshalb in den Kopf gesetzt, die „Nadel aus Granit“ mit Gleichgesinnten zu bezwingen – ein Plan, der immer wieder an den Tücken der Natur scheitert.
Von Jochen Plinganz

Der Berg ruft – und nicht irgendeiner: Der circa 3130 Meter hohe, unter Alpinisten berüchtigte Cerro Torre (dt: Turm-Berg) in den argentinischen Südanden, eine steile Granitzinne, ein Eiskegel über den Wolken, gilt als unmöglich zu besteigen. Dieses geschichtsträchtige Massiv in der patagonischen Traumlandschaft will das Innsbrucker Kletterwunderkind David Lama 2009 erstmals im Freikletterstil bewältigen.

Anders als die üblichen naiven Extremsport-Funwerbefilme bietet diese Red-Bull-Produktion einen authentischen, unverstellten und ehrlichen Einblick in die Unbill des Rekordjagens: Drei Expeditionen benötigen Lama, seine Partner (und das Filmteam), sie scheitern immer wieder bis zum finalen Triumph 2012. Mithin dokumentiert Lamas Landsmann Thomas Dirnhofer vier Jahre Frust und Warten, Abbrüche, Misserfolge.

Vier Jahre Frust und Warten, Abbrüche, Misserfolge

Diesen langen Pfad zur Erstbesteigung ohne jeden Bohrhaken, zwischen Bergblues und fesselnden Aufstiegen, bewältigt Dirnhofer ungemein abwechslungsreich. Flott und kreativ illustriert er fast 100 Jahre als historischen Abriss über diese Killer-Spitze, die in Toni Egger einen Toten forderte und manchen Ruf schädigte – in einem Medien-Mix, einer Collage aus alten Aufnahmen, Fotos, Grafiken und Tonmitschnitten.

Ähnlich werden später die Routen und Stationen zum Gipfel erklärt, zudem hört man aus dem Off andauernd Interviews (mit eher mittelprächtigem Informationswert) und viel – überaus passend ausgesuchte – Musik. Mitunter ist das schon etwas überinszeniert, aber stets kurzweilig. An sehenswerten Dokumentationen über die Gefahren in einsamer Höhe mangelt es ja nicht – Dirnhofer kann es durchweg mit ihnen aufnehmen.

Grandiose Bilder von dem Naturreservat zu allen Tageszeiten

Das liegt auch an Produzent Philipp Manderla, der Stefan Glowacz unlängst als „Jäger des Augenblicks – Ein Abenteuer am Mount Roraima“ den Naturgewalten trotzen ließ. Auf sein Konto ging bereits „Mount St. Elias“, an dessen verrückte Typen hier aber nur einer erinnert. Die anderen Sportler widersprechen dem Stereotyp der Adrenalinjunkies, sie wahren – trotz teils skurrilen Jargon – ein erstaunliches Maß an Normalität.

Nach einem wahren PR-Desaster schält sich nun ein spannendes Abenteuer heraus, die packende Simultanbesteigung, die unberechenbares Wetter immer wieder verhindert hat: Helikopter, Headcam, Schwenks und Zooms liefern grandiose Bilder von dem Naturreservat zu allen Tageszeiten, ein wunderschönes Erlebnis, auch wenn die Wahnsinns-Felswand ein echter Feind bleibt, der seine Bezwinger weit über ihr Limit hinaus fordert.

Handschweißausbrüche beim Zusehen

Bröckeliger, vereister Fels, Eisstürze, hohle Stellen und lose Blöcke sind eine haarige Angelegenheit, die für Handschweißausbrüche beim Zusehen sorgt. Man versteht sofort, was Werner Herzog 1991 inspirierte, als er seine Obsession für Extreme in „Cerro Torre: Schrei aus Stein“ nachging. Statt eines Doku-Thrills wie der auch in den Anden spielende „Sturz ins Leere“ bietet Dirnhofer indes beeindruckende Traumerfüllung.

Trailer auf der Filmwebseite ansehen

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