Kinostart: 27.03.2014, DVD/BD-Start: 07.11.2014
Marcel Gislers völlig verdient mit drei Schweizer Filmpreisen dekoriertes Regiecomeback nach 15-jähriger Pause ist nicht einfach nur die Anekdote von einer, die nicht ins Pflegeheim wollte. In dem vollkommen unkonstruierten Drama erzählt der Wahlberliner die eigene Familiengeschichte, die er als Hommage an seine verstorbene Mutter betrachtet: als für jeden unmittelbar nachvollziehbare Beziehungsstudie über den menschlichen Makel.
Es sind die Stationen eines schwierigen Miteinanders, ein langer und durch seine ruhige Art auch sehr emotionaler Abschied von einer Mutter, die nie das ist, was man ersehnt oder gebraucht hätte. Alle Darsteller kommen vom Theater, am meisten von ihnen imponiert Sibylle Brunner als hochmütige Trinkerin, die starrsinnig und resolut, bisweilen unangenehm rücksichtslos agiert und sich partout nicht helfen lassen will.
Eine Situation, die ihre erwachsenen Kinder Geduld kostet und beide böse überfordert, was sogleich negativ auf ihr Privat- und Liebesleben durchschlägt. Autor Lorenz reagiert allergisch auf die Annäherungen eines sympathischen Jungen, Schwester Sophie klammert sich an eine vergiftete Beziehung, weil sie menschlich zu schwach für eine Trennung ist. Ein ungesundes, verhängnisvoll ineinander verstricktes Umfeld.
Und dennoch lieben sie sich: So geht Familie, so geht das Leben. In Freudschen Träumen und permanentem Dissens aus Vorwürfen und Schuldzuweisungen findet Hauptfigur Lorenz das Geheimnis seines toten Vaters heraus, womit er ein altes Kapitel schließen kann. Sein Feststecken in ungelösten Konflikten vermag Gisler („Fögi ist ein Sauhund“) mit Sensibilität und Selbstverständlichkeit von Homosexualität zu gestalten.
Er hat sich einer bisweilen komischen Alltagsdramaturgie verschrieben, in denen er das Sozioumfeld seiner Charaktere amüsant entfaltet. Geschickt strafft er die Jahre mit Zeitsprüngen, die in Autobahnfahrten zu Klassik – Mozart, Verdi, Beethoven, Liszt – gehörig Gefühle evozieren. So unsentimental und unaufdringlich der Stil, so nahe kommt er den verschiedenen Personen, mitunter gefährlich aufwühlend nahe.
Lorenz, der das Richtige will, aber stets das Falsche sagt, steckt in diesen prozesshaften Schicksal fest, beschäftigt, Vergangenes zu verarbeiten und sein Leben der Zukunft zu öffnen, gefangen in einem Netz aus Wechselwirkungen, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Weshalb weder Plotpoints noch spektakuläre Momente auftauchen, sondern nur die Intervalle, in denen sich das eigene Leben (versöhnlich) voranschiebt.