Kinostart: 27.03.2014, DVD/BD-Start: 04.09.2014
Spike Jonze philosophiert wieder Grenzen sprengend nach Existenzgrundlagen und zettelt eine Zukunftskomödie an, die in warmen, heutigem Indie-Look ein Beziehungsdrama birgt: mit großer Sensibilität und Zärtlichkeit erzählt der für seine von verschrobenen Melancholikern geprägten, originellen Filmwunder wie „Being John Malkovich“ bekannte Clipspezialist einen tragischen Liebesfilm zwischen Mensch und Maschine.
Das ist kein Nerd-Kino, sondern malt die Hitech-Zukunft in tageslichtheller Lofi-Gemütlichkeit fern der aseptischen Kühle gängiger SF-Entwürfe oder der dystopischen Regennacht eines „Blade Runner“ aus, irgendwo zwischen „Lars und die Frauen“ und „Robot & Frank“. Jeder Mensch ist nur noch mit seinem Knopf im Ohr beschäftigt – eine Gesellschaft von Autisten, wie sie die heutige Smartphoneritis bereits ankündigt.
Brandneu kommt nun ein personalisiertes OS auf den Markt. Besagte „Maschine“ ist ein körperlose Software, die als selbstlernendes Betriebssystem jeden Turing Test besteht, sich Samantha nennt und dem in seinen Schnauzbart nuschelndem Karohemd als Sekretärin, einfühlsame Therapeutin, Trösterin und Organisatorin derart unter die Arme greift, dass er sich in sie verliebt – und sie in ihn, die immaterielle Traumfrau.
Computer sind die besseren Menschen, die echten zu kompliziert, wie schräge Treffen bestätigen – von Sexchats mit toten Katzen (Kristen Wiig) bis neurotischen Blinddates (Olivia Wilde). Mit der witzig-tiefsinnigen Samantha (perfekt von Scarlett Johansson gesprochen) entwickelt der von seiner Trennung Geschädigte Lebensmut, Glück und Halt mit „ohralem“ Sex und Intimitäten. In einer sozial akzeptierten Form des Wahnsinns.
„Her“ aber ist kein Märchen, sondern wie in Jonzes’ von Charlie Kaufman gescripteten Filmen ein Knäuel wechselhafter Gefühle und Psychoschrullen. Erstens wiederholt Theo die gleichen Fehler wie in seiner gescheiterten Ehe. Zweitens entwickelt die „Ghost in the Shell“ eigene Ängste, Sehnsüchte und, ganz menschlich, Komplexe plus Eifersucht, sprengt gar mit einem flotten Dreier Theos Ethik-Kostüm.
Aus einem versöhnlichen „wir sind alle Materie“, egal ob auf Silizium- oder Kohlenstoffbasis, wird ein Auf und Ab instabiler psychischer Verfassungen und dann nimmt Samantha, mit HAL-Handykamera überall dabei, eine Entwicklung, mit der Theo nicht Schritt halten kann: Sie erklimmt die nächste Stufe der Evolution – und die ist keine biologische. Sie verlässt ihn für eine andere KI, im Zuge einer Art Zylonen-Exodus.
Zurück bleiben traurige Menschlein, die auf sich selbst zurückgeworfen wieder Sozialkontakte (zu Nachbarin Amy Adams) knüpfen. Das löst Jonzes’ Drehbuch, das einen Oscar verdient, kreativer, als die nicht immer erfüllende Regie, speziell was humane Beziehungen betrifft. Wenn menschliche Logik und Gefühle überfordert sind, bleibt nur absehbare Verlassenheit. Dennoch: Feinfühligeres zur technologischen Singularität gab es wohl nie.