Der letzte Mentsch

Mario Adorf stellt sich in dem Roadmovie der Sinnfrage und Holocaust-Dämonen, in einem Identitäts- und Erinnerungsdrama.

Der letzte Mentsch Cover

Pierre-Henri Salfati, D/SUI/FR 2013
Kinostart: 08.05.2014, DVD/BD-Start: 14.11.2014
Story: Just mit seiner Sterblichkeit konfrontiert, entschließt sich der betagte Marcus Schwartz zur Beisetzung nach jüdischer Tradition, muss dafür aber erst seine Identität nachweisen. Das führt den Auschwitz-Überlebenden mit einer jungen Deutschtürkin in seine ungarische Heimat, wo sich keiner an ihn erinnert.
Von Thorsten Krüger

Diese Art Filmförderung gibt es nur in Deutschland, wo mit öffentlichen Mitteln eine Holocaust-Gedenk-Industrie ihr frequentes Werk vollbringt. So überflüssig dieses vom jüdisch-französischen Dokumentaristen Pierre-Henri Salfati („Le Jazzman du Goulag“) umgesetzte, nicht über die übliche Betroffenheits-Attitüde hinauskommendes Roadmovie-Drama leider sein mag, es hätte ein richtig berührendes Melodram werden können.

Schließlich stehen mit Mario Adorf und später Hannelore Elsner zwei Aushängeschilder des teutonischen Kinos zur Verfügung, die sich beide wacker schlagen. Und auch Katharina Derr („Beautiful Bitch“) als freche Deutschtürkin kann Akzente setzen. Nur: Schon ihre krude Figur allein kann nur ein Drehbuch erfinden, das mehr auf Funktion denn Charakter achtet. Es fehlt der letzte Schliff – dennoch ist das Script besser als die Regie.

Ein Film, der nie so richtig aufblühen will

Schön zwar, dass diese bedacht auf Sentimentalitäten verzichtet – aber durch eine zu bündige, gar lustlose und trocken heruntergespulte Art mag nie Schwung, selten Stimmung aufkommen. Auch jeder Charme, speziell Adorfs Charisma, wird abgewürgt. Ein Film, der so ergreifend (und bedeutend) sein könnte, so unbedingt nahegehen müsste, aber doch nie richtig aufblühen will. Salfati verkauft seine Geschichte deutlich unter Wert.

Es fehlt ihm einerseits das Gespür für die absurden Behörden und arroganten Rabbiner, das fortgesetzt kafkaeske Leben eines Auschwitz-Traumatisierten. Den lebensweisen jiddischen Humor bricht er häufig unmotiviert vom Zaun, was Stil und Inhalt disparat erscheinen lässt. Vor allem aber kann er mit dem spät aufbrechenden Seelenschmerz eines, dem man die Erinnerung verweigert (und er sich selbst), wenig anfangen.

Seelenschmerz eines, dem man die Erinnerung verweigert

Die jüdisch-orthodoxen Riten bleiben belanglos, das Zueinanderfinden beliebig, die traurigen Reste des Holocaust in Osteuropa kaum erforscht und die erhebliche Tragik eines In-Frieden-Sterben-Wollens sowie die Sehnsucht, endlich wieder der Mensch zu werden, der man einmal war, Elemente, denen Salfati nicht über den Weg traut. Mehr Mut und Intensität, weniger Oberflächlichkeit! will man rufen, da Leiden und Leben so warmherzig verschmelzen könnten und interkulturelle, innereuropäische Geschichte in Ansätzen so wunderbar zusammenfinden.

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