Kinostart: 14.11.2013, DVD/BD-Start: 20.02.2014
Erinnerungskultur einmal anders: Man stelle sich vor, Himmler, Eichmann und andere Organisatoren des Holocaust träfen sich mit Ex-KZ-Wächtern, um ein farbenfrohes Auschwitz-Amateur-Musical aufzuführen, in aller Öffentlichkeit, weil der Krieg gewonnen wäre und sie allesamt beliebt, einflussreich und mächtig. Kranke Phantasie? In Indonesien Realität, der ganz normale Wahnsinn, eingefangen in dieser Zweieinhalbstundendoku.
1965 kam es zum Massenmord an mindestens einer Millionen Kommunisten nach einem rechtsgerichteten Militärputsch mit freundlicher Unterstützung der amerikanischen CIA (aber hey, an welchen Verbrechen der letzten 80 Jahre war die CIA nicht beteiligt?). Joshua Oppenheimer ist es gelungen, die Beteiligten zum Re-Enactment ihrer perfiden Folter- und Mordmethoden zu bewegen. Wofür er sich nicht groß anstrengen musste.
Denn die Exekutoren, Quäler und Vergewaltiger von einst sind auch heute noch Mafia-Bosse im Dienste der Regierung (oder gleich Präsidentschaftskandidat) und nehmen exzellent gelaunt die Einladung zum Genozid-Theater an. Sie stellen das Grauen als bunten Familien-Splatter dar, anschließend gibt es Applaus für die berühmten Völkermörder – Massaker als Kirmes, eine ungeheuerliche Schmierenkomödie.
Oppenheimer konzentriert sich bewusst nur auf die Täter und blendet ihre Opfer aus, eine Perspektive, in der die Mörder ganz ungezwungen Einblick geben, was in ihren Köpfen vorgeht (wenig). Sie regen sich darüber auf, dass die Kinder der Ermordeten aufmucken und Geschichtsrevisionismus betreiben, machen sich über die Genfer Konventionen lustig und geben Anleitung, wie man Menschen umbringt, ohne sich schuldig zu fühlen.
Was die Nazis können, können wir schon lange: Dieser nonchalante Gestus entwickelt eine beängstigende Intensität, bis einem der Brechreiz kommt. Millionenstarke Milizen sind ungebrochen stolz auf die Massaker, die heutigen Schutzgelderpresser und Gangster werden als Helden gefeiert, ihre Parolen von einst gelten immer noch. Sie geben freimütig zu, alles Üble über Rote erfunden zu haben und sie die eigentlichen Teufel waren.
Daran lassen sich die fatalen Folgen von Straflosigkeit ablesen. Mit Propaganda wie einem Hetzfilm im Stile von „Jud Süß“ wurde jedes Schulkind zum Hass erzogen und ein gesellschaftliches Klima erschaffen, das gestattete, vor aller Augen zu töten. Doch selbst wenn bei den Verhörszenen sich Sadismus und Brutalität Bahn brechen und die Täter vereinzelt ins Grübeln kommen – außer Ekel empfindet man nichts für sie.
Zu wenig für 160 Minuten.