Labor Day

Kate Winslet schöpft in Jason Reitmans traurig-schönem Liebesmelodram Hoffnung – ein Coming of Age zwischen Utopie und Realität.

Labor Day Cover

Jason Reitman, USA 2013
Kinostart: 08.05.2014, DVD/BD-Start: 18.09.2014
Story: Die seit ihrer Trennung deprimierte, alleinerziehende Adele und ihr langsam in die Pubertät kommender Sohn Hank nehmen den verletzten Frank mit; er entpuppt sich als entflohener Sträfling, der beide zwar in ihrem Haus festhält, sich aber als sanfter Mann erweist, mit dem sie wieder eine Familie wären.
Von Caroline Lin

Das Paradies zu finden heißt, es zu verlieren: Was als subtil spannender Geiselthriller beginnt, entwickelt sich für drei um ihr Familienglück Betrogene zu einer Sehnsuchtserfüllung, einem wunderschönen Traum, der in der Realität leider keine Chance hat – aber deshalb nicht vorbei ist. Eine Americana, die kunstvoll, bittersüß und atemberaubend gefühlvoll ein Erwachsenwerden am titelgebenden Ferienwochende 1987 ausbedingt.

Ivans Sohn Jason Reitman, der sich nach erfolgreichen Satiren wie „Thank You for Smoking“ und Tragikomödien wie „Up in the Air“ erstmals ans reine Drama und substantiell anderes wagt, balanciert auf großartige Weise Gefahr und Zärtlichkeit aus, eine Wechselwirkung, die von Beginn an betört: Wenn sich der muskulöse Josh Brolin („Oldboy“) mit einer Mischung aus Bitte und Zwang bei einem Mutter-Sohn-Gespann versteckt.

Das Haus, den Wagen, Leben und Seele reparieren

In der Tradition von Kevin Costner in „A Perfect World“ und Matthew McConaughey im wundervollen „Mud“ erweist sich der vorgebliche Mörder als einfühlsamer Ehemann- und Vater-Ersatz, der das verwohnte Herrenhaus, den defekten Wagen, vor allem aber Leben und Seele von Mutter (umwerfend verletzlich: Kate Winslet wie in „Little Children“) und Sohn (still, echt: Gattlin Griffith) repariert und damit Hoffnungsschimmer weckt.

Durch die sensible Regie bleibt das klischeefrei, poetisch statt prosaisch, was auch der perfekt abgestimmte Score bewirkt. Selbst wenn sie zusammen einen Pfirsichkuchen backen, gelingt die Gratwanderung, nie komisch, sondern stets einfühlsam zu sein, eine von den ihnen lang ersehnte Traumerfüllung, die man ihnen unbedingt gönnt. Eine bittersüße freilich, denn die immer von anderen ausgehende Gewalt bedroht sie fortan.

Eine Americana, kunstvoll, bittersüß und atemberaubend gefühlvoll

Zwar scheint die Utopie, eine gemeinsame Flucht nach Kanada in dem bemerkenswert ruhig-schwebenden Drama greifbar nah, aber die Brisanz dieser heimlichen, verbotenen Liebe wird durch dauerndes anklopfen der Realität – die Fahndung läuft auf Hochtouren – dermaßen gesteigert, dass märchenhafte Wünschen unerfüllbar bleiben. Der Rest der Welt ist verdorben, Schlange und Sünde bedingen ein fast biblisches Gleichnis.

Was man Reitman vorwerfen kann, ist seine Neigung zu überzogener Melodramatik, die sich in zumindest zeitweilig in naivem Verhalten niederschlägt. Hat er die Fallhöhe dieser all american family durch die Tragödien, die Adele und Frank innerlich zerbrochen haben, derart hoch gesteckt, bringen Hanks Unvorsicht, sowie Adeles Inkompetenz und Neurasthenie dieses von schattigen Bildern verdeckte Paradies zu Fall.

Einsicht, die Vergangenheit nicht mehr ändern zu können

Das mag Sinn machen für die Konstruktion, die sich mit einem im Nachhinein erzählten Coming of Age auseinandersetzt, sowie der Einsicht, die Vergangenheit nicht mehr ändern zu können, sondern in die Zukunft zu schauen, selbst wenn man 25 Jahre darauf warten muss. Aber das Verhalten der Akteure ist in diesem Punkt unglaubwürdig. Dafür gibt es ein deutlich realitätsnäheres, tiefromantisches Ende, das unbedingt zu Herzen geht.

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