Kinostart: 03.04.2014, DVD/BD-Start: 08.09.2014
Ice Age: Seine Erfolge „The Host“ und „Mother“ verhalfen dem Koreaner Bong Joon-ho zum englischsprachigen Debüt mit Charakternasen aus Hollywoods zweiter Reihe, die er in ein eigentlich schlichtes B-Movie um eine rollende Arche schickt, eine SciFi-Dystopie, die er jedoch zum bedeutungsschweren Gewalt- und Unterdrückungsdrama aufbläst. Doch das Hauen-und-Stechen-Script gibt so viel Drama einfach nicht her.
Die Vorlage, ein französischer Comic, ist als räudiger Brutal-Trash um einen unerbittlichen Klassenkampf zwischen Reich und Arm noch originelle Fantasie. Aber Bong möchte unbedingt ein anspruchsvolles Zeitlupen-Melodram voller philosophischer und allegorischer Auslegungen stricken. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn er nicht jede Metapher bis ins letzte Detail erklären und sich dabei ganz wichtig nehmen würde.
Eher grotesk als spannend nimmt sich die Zugfahrt einer marxistischen Klassen-Gesellschaft aus, die sich wortwörtlich im Kreis dreht. Das ist bizarr wie Terry Gilliams „Brazil“ und brutal wie Orwells „1984“, aus dem John Hurt mitspielt – als Gilliam (!). Die postapokalyptischen Passagiere tragen schräges „Mad Max“-Outfit und die sehr britisch-abstoßende Tilda Swinton gibt eine Maggie-Thatcher-Karikatur nach „V wie Vendetta“-Art.
Spielt die erste Halbzeit im lichtschwachen Halbdunkel des dreckstarrenden, beengten Hinterzugs, sehen diese „Matrix“-Insassen im vorderen Luxus-Abteil das erstmals das helle Tageslicht der Eiswelt. Schott um Schott erobern sie in diesem Knastfilm, in dem sie einen Fluchtplan entwickeln, der auf eine blutige Rebellion hinausläuft. Diese wirkt wie ein Live-Report von den Straßenschlachten unserer Welt – Tahrir, Maidan, Aleppo.
Zum Gulag-Drama mit Hungerrationen passt eine Bestrafungsaktion, wie sie aus „Men Behind the Sun“ mit seinen abgefrorenen Gliedmaßen stammen könnte und womöglich, die Mandschurei ist ja nicht weit, ein echtes Zitat darstellt. In diesen Momenten kündigt sich eine Intensität an, die im immer abstruseren, teils komischen und sich lange hinziehenden Fortlauf verloren geht. Der Bürgerkrieg in der Bahn gerät aufs falsche Gleis.
Denn leider dominiert die verrückte Unlogik eines schrägen Mangas, Bong verschreibt sich der Fantasy und bunten Dekadenz-Kulissen, während Sinn vieles nur visuell und metaphorisch macht. Und alle Symbole werden so lange erläutert und breit getreten, bis jedes Geheimnis, jeder Reiz verschwunden ist. Da mögen die Darsteller in diesem Perpetuum mobile noch so ergriffen sein, mit ihnen fühlen kann man nicht.
Als Gemetzelgemälde, in dem sich reale Revolten spiegeln, als Mikrokosmos unserer globalen Verhältnisse, wäre es ein harter Reißer geworden, wo Polizeistaatschwadrone voller Hass das Hungerproletariat massakrieren. Bong interessiert sich alldieweil nicht für direkten Thrill, ergeht sich in endlosem wie redundanten Axt-Gehacke und plustert sich dann als große Saga von göttlichen Maschinen und Vorherbestimmung auf. Tja.