Und morgen Mittag bin ich tot

Feinfühliges Sterbehilfedrama, in dem eine hervorragenden Liv Lisa Fries mit Würde abtritt: ein herzzerreißender Abschied.

Und morgen Mittag bin ich tot Cover

Frederik Steiner, D 2013
Kinostart: 13.02.2014, DVD/BD-Start: 13.08.2014
Story: Mit Hilfe ihrer Oma reist die an einer tödlichen Erbkrankheit schwer leidende Lea heimlich nach Zürich, um dort die in Deutschland verbotene aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Oma, Mutter, Schwester und ein Arzt reisen ihr nach, um sich am letzten Geburtstag um die 22-Jährige zu versammeln.
Von Thorsten Krüger

Beflissentlich üben sich deutsche Filmemacher in der Disziplin des tödlich endenden Krankheitsdramas. Kein Wunder, dass sie langsam gut werden. Richtig gut. So, wie diese einfühlsam-sanfte Tour de Force um die letzten Tage einer jungen, unheilbar an Mukoviszidose Erkrankten, die in Würde sterben will. Herzenswarm, aber ohne je zu verklären, geht Frederik Steiner („Die Todeswelle“) dieses kontroverse Thema offen und ehrlich an.

In Nazideutschland wäre Lea kostenlos vergast worden, im Nachfolgestaat, der Bundesrepublik, lässt man sie nicht sterben – beides ist auf seine Weise inhuman. Natürlich ist die Diskussion weit komplexer, als diese Zuspitzung suggeriert. Das Pro und Contra brachte Alejandro Amenábar im meisterlichen Sterbeplädoyer „Das Meer in mir“ tief bewegend auf den Punkt. Diesen Ethik-Diskurs streift Steiner nur am Rande.

Mitfühlend, aufrichtig und direkt

Sein Ansatz ist ein emotionaler, der ganz persönlich ein familiäres Drama ohne Kitsch und Pathos entfaltet. Das hätte gehörig ins Auge gehen können, aber außer dem etwas formelhaften Drehbuch stimmt alles: Mitfühlend, aufrichtig und direkt folgt er einem mal lieben und mal schroffen Miteinander und wahrt sich humorvoll-optimistisch den Sinn für die schönen Augenblicke. Kaum zu glauben, dass dies sein Kinoerstling ist.

Außerdem kann er auf sein starkes weibliche Ensembles zählen, vor allem aber die gefühlsechte Liv Lisa Fries, deren Lea so selbstbewusst und verletzlich ist, dass man eine wie sie auf keinen Fall verlieren will. Ihr Hang zu Extremen berührte schon in „Staudamm“, aber wie sie hier in permanenter Atemnot nach Luft japst, sich körperlich quält und trotzdem trockenen Witz, Kraft und Würde bewahrt, ist ergreifend.

Nicht so gelöst wie „Meine Schwestern“, aber genau so nahegehend

Zwar ist Bibiana Beglau steif wie immer und Minh-Khai Phan-Thi hätte mehr Screen Time verdient. Aber die Chronik eines angekündigten Todes von einer, die nochmal leben will, bevor sie stirbt, verdichtet ein Dasein im Brennglas, bietet die Summe von Liebe, Konflikten, Überforderungen und Romanzen. Alles bündelt sich, alle Probleme kochen noch einmal hoch, nicht so gelöst wie in „Meine Schwestern“, aber genau so nahegehend.

Von der resolut-bestürzten Schwester (klasse: Sophie Rogall), der Mutter, die nicht loslassen kann, dem psychisch kranken Gleichaltrigen im Zimmer nebenan und einem Arzt (Johannes Zirner), der mehr für Lea empfindet, als er zugeben will: Die bedachte Inszenierung verrät keine Figur, gibt ihnen Raum, sich als liebenswerte, sensible Menschen zu erweisen, bis jeder seinen Frieden mit dieser erschütternden Entscheidung schließt.

Als würde die eigene Schwester sterben

Doch Steiner zieht konsequent wie Lea sein Vorhaben wirklich durch. Ohne Rückzieher. Das Geburtstagsessen als Henkersmahl und dieses Fräulein bei der Einnahme eines Schierlingsbechers – das ist unendlich schwer anzusehen, als sei man Teil dieser Familie, als würde die eigene Schwester sterben. „Was sollen wir denn ohne dich machen?“, fragt ihre Mutter. „Weiterleben“, antwortet Lea lapidar. Wenn es denn so einfach wäre.

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