RoboCop

Komplexes Zukunfts(action)drama, das intelligent nach dem Wesen des Menschen fragt – ein visionärer Wirtschafts- und Politik-Thriller.

RoboCop Cover

José Padilha, USA 2014
Kinostart: 06.02.2014, DVD/BD-Start: 07.06.2014
Story: Der Detroiter Cop Alex Murphy verliert durch eine Autobombe vor dem Haus seiner Familie fast sein Leben. Für Konzermulti OmniCorp, der Polizeiroboter in Amerika einzusetzen plant, verarbeitet ihn Dr. Norton zu einem Cyborg-Prototypen, der seinen eigenen Fall untersucht und in ein Korruptions-Wespennest sticht.
Von Jochen Plinganz

Anstatt sich mit einem getreuen Remake des Originals – bis heute einer meiner Lieblingsfilme – zwangsläufig zu verheben, wählt „Tropa de Elite“-Regisseur José Padila einen völlig anderen Ansatz, womit ihm, man höre und staune, der wohl intelligenteste Beitrag zur umfangreichen Remake-Welle von 80er-Jahre-Hits gelingt. Statt eines SciFi-Actionreißers entwirft er einen smarten Diskurs über KI, Drohnen und Kampfroboter.

Verhoevens fulminanter Killerrhythmus fehlt, Robocop ist jetzt ein Familienmensch. Weshalb sich Padila umständlich (und emotional fruchtlos) mit der Beziehung von Murphy zu Frau und Sohn beschäftigt. Sein tempoarmer Blick in die nahe Zukunft ist kein Pulp-Comic mit sagenhaft sadistischem Gewalt-Overkill, sondern setzt sich wissenschaftlich und menschlich mit dem Für und Wider von Sicherheitsrobotik auseinander.

Fortschritt zum Preis des menschlichen Rückschritts

Was nicht heißt, es gäbe keine Action. Die fällt aber nur sporadisch an und sieht wie ein Videogame aus, ein erstklassiges mit unblutigen Shootouts freilich, wuchtig und rasant. Aber Kernthemen bilden eher philosophische Fragen: was einen Menschen ausmacht – ob es sein Gehirn, der Geist oder doch die Gefühle sind. Und auch die Forschungsethik: ob für den Fortschritt nicht der Preis des menschlichen Rückschritts gezahlt wird.

Das betrifft natürlich Murphy selbst, von dem nur Gehirn, Lungenflügel und eine Hand geblieben sind. So wacht er in einem neuen Körper auf – er ist ein Avatar geworden, nur ist er darin für immer gefangen. Wenn ihn dieser Alptraum schockiert und er nur langsam lernt, nicht vor sich selbst wegzulaufen, funktioniert dies wie ein Kriegsversehrtendrama, wo ein Intensivpatient von der Lebenserhaltungsmaschine in die Reha-Station kommt.

Satirischen Thriller über rücksichtslose Medien, Ökonomie und Politik

Dass er aber erst durch weitere Operationen am Gefühlszentrum zum präzisen Killer, einem gefügigen Robo-Zombie wird, ist nicht nur eine Pointe, sondern handelt auch von der Illusion des freien Willens und Manipulierbarkeit des menschlichen Gehirns. Mit heruntergedimmter Amygdala ist er nur eine Maschine, die denkt, sie sei ein Mensch. Doch so einfach lässt sich unser Wesen, der Lebensfunke in uns nicht unterwerfen.

Der Konzernmulti betrachtet ihn indes nur als Produkt, dessen Test- und Entwicklungsphasen bis zur „Marktreife“ wir mitverfolgen. Großartig ist Gary Oldman als sein Erschaffer, ein ambivalenter, väterlicher Dr. Frankenstein. Über das Schicksal seines Monstrums entscheidet in der Chefetage Michael Keaton hingegen eiskalt. Er benutzt sie alle nur in diesem satirischen Thriller über rücksichtslose Medien, Ökonomie und Politik.

Das plausible Szenario beschäftigt geistig

Weshalb Padilha eine Totalüberwachungsgesellschaft entwirft, in der ein stolzes Amerika Maschinen für Frieden und Freiheit in die Welt exportiert (der „Elysium“ ähnelnde Auftakt in Teheran verströmt ganz aktuelle Krisenbrisanz). Doch so packend und realitätsnah bleibt es nicht, weil dieser Robocop in schwarzem Chrom-Look mit viel High-Tech bald wie ein „Batman“ auf das Motorrad steigt: Ein Rächer rast durch Gotham City.

Wie bei Verhoeven spielt das in Detroit, dessen Ruin mit keinem Wort erwähnt wird. Dafür fliegt ein Korruptionsnest bis in die Chefetagen bei der Polizei auf, was an Padilhas brasilianische Werke angelehnt ist, für all seine anregenden Ansichten zu Wissenschaft, Philosophie und Politik aber die Handlungsführung vernachlässigt. Alles Mitreißende fehlt, darunter Score und Charisma. Aber das plausible Szenario beschäftigt geistig.

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