The Terror Live

.Fesselnd intensiver, medien- und machtkritischer High-Concept-Thriller um einen live im Fernsehen übertragenen Terroranschlag

The Terror Live Cover

Deu tae-ro ra-i-beu, Kim Byeong-woo, ROK 2013
ohne deutschen Start
Story: Der zum Radiosprecher degradierte Topreporter Yoon erhält in seiner Sendung einen Drohanruf. Kurz darauf explodiert die Mapo-Brücke direkt unter dem Hochhaus und Yoon hat sein Comeback: Vor laufenden Kameras fordert der Erpresser eine Entschuldigung des Präsidenten, oder er zündet weitere Bomben.
Von Caroline Lin

Das Südkorea-Update von Sidney Lumets „Network“ enthält dessen geballte Medienkritik, vermittelt sie aber in einem fast in Echtzeit ablaufenden High-Concept-Reißer, der wie „Non-Stop“ handwerklich hervorragende Hochspannung bietet und ähnliche Glaubwürdigkeitsmängel entwickelt. Anders als Liam Neesons paranoider Furor geht diese tragische Tour de Force mit der Moral von Medien und Politik knallhart ins Gericht.

Kim Byeong-woos dritte Regiearbeit (vor fünf Jahren richtete er das schräge Indie-Drama „Written“ an) ist im Grunde „Speed“ (oder „Phone Booth“ bzw. „Die Hard“) in einem Sendestudio. Dadurch entsteht quasi ein Kammerspiel, das aber nie wie eins wirkt, weil Kim geschickt viele Newsausschnitte einfügt. Außerdem hat man durch die Glasfront einen Panoramablick über die Stadt – und die detonierenden Sprengsätze.

Geht mit der Moral von Medien und Politik knallhart ins Gericht

Ein Unbekannter, der vorgibt, der Architekt besagter Brücke in Seoul zu sein, sieht und hört alles mit, übernimmt damit die Kontrolle und bietet dem Journalisten einen teuren Deal für eine Exklusivstory an, die immer mehr dem Terrorszenario des 11. September gleicht. Nur seine Gründe sind andere: Drei Arbeiter sind beim Brückenbau gestorben, ihre Familien wurden nie entschädigt – so fordert er eine Entschuldigung der Regierung.

Während sich der Moderator skrupellos seinen Scoop sichert und von dem Terroristen, der die Redaktion vermint hat, mit einer Bombe im Ohr gezwungen wird, seinen Forderungen nachzukommen und den Präsidenten aus dem Blauen Haus herbeizuzitieren, lässt sich dieser verleugnen: Der Polizeichef droht wüst und gefährdet damit arrogant die überlebenden Geiseln auf der Brückenruine – der Nachrichtensprecher ist zurecht entsetzt.

Legt gnadenlos alle Lügen, Missetaten und Bestechungen bloß

Denn seine Ex-Frau, für die er noch Gefühle hegt, ist dort. Und je mehr sich Polizei und Politiker autoritär gebärden, desto mehr Sympathien entwickelt er für den Erpresser. Es wäre ja nicht so schwer, sich zu entschuldigen. Allerdings: Im Krieg gegen den Terror wird mit Terroristen eben nicht verhandelt. Womit die Ultimaten verstreichen, die Menschen sterben und Yoon an seinem blutbespritzten Arbeitsplatz verzweifelt.

Gönnt man ihm zunächst diese darwinistische Sendung, einen Überlebenskampf am Arbeitsplatz, bei dem gnadenlos alle Lügen, Missetaten und Bestechungen bloßgelegt werden, macht der emotionale Stress in andauernder Todesangst schließlich weit mehr aus ihm, als den Profi, der alles für einen Knüller tut: Es wird eine persönliche, nervenruinierende Rosskur, die ihn mit eigener Schuld und der des Staatssystems konfrontiert.

Ein Medienkrieg im wahrsten Sinne des Wortes

Dies alles ist eine sensationell intensiv inszenierte, von Action und Morden unterstützte, fulminante Suspense-Diktatur. Allein der Blick hinter die Kulissen eines Senders ist schon klasse: Wie per Telefon, Kamera, Funk und SMS teils widersprüchliche Redaktionsanweisungen an Yoon gehen, wie ihn sein Chef in den Rücken fällt, wie hinter der Kamera ein Kompetenzgerangel entsteht, bei dem jeder jeden betrügt und nur an sich denkt.

Derweil der Terror live auf Sendung ist. Deshalb heißen Nachrichtenzentren auch war room. Hier entbrennt im wahrsten Wortsinn ein Medienkrieg. Und zwar ein richtig schmutziger. Als ein Hochhaus auf das andere stürzt und beide zu kollabieren drohen, zeigt dieses Szenario auf, dass es die radikale Reaktion auf eine Bedrohung ist, die Unrecht erst richtig schürt – ein bitter bewegendes Ende. Das wie der ganze Film ins Kino gehört.

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