ohne deutschen Start
Byun Young-Joo („Ardor“) gelingt weit mehr als die südkoreanische Version von George Sluizers „Spurlos“. Ihre Adaption des Bestsellers „Kasha“ (1992, auf deutsch 2011 erschienen als „Feuerwagen“) der Japanerin Miyabe Miyuki ist einerseits handwerklich reif und ballastfrei, so spannend wie verstörend, zugleich aber auch ein zart-feinfühliges (Liebes)Drama um einen verlassenen Mann und die verborgene Tragödie einer Frau.
Kim Min Hee („Sword With no Name“) ist süß und hübsch, doch wahrt sie Abgründe in sich, von denen ihr Verlobter (Lee Sun-gyun, „R-Point“) nichts ahnt. In einer langwierigen Spurensuche setzt er Stück für Stück die Teile eines Puzzles zusammen, das sich, bravourös Story over Style erzählt, zu einem beklemmenden Gesamtbild fügt. Vor allem muss er immer betretener feststellen, wie wenig er seine Zukünftige wirklich kannte.
Jo Seong-ha („The Suspect“) als sein raubeiniger Cousin streut unnötig Humor ein und dient als Gegenpol wie Reizmittel eines Sensiblen, den der Verlust seiner innig Geliebten so tief ins Herz trifft, dass er immer schwerer gegen die Tränen kämpft. Private Erinnerungen befallen ihn und verfolgen ihn geisterhaft, was Byun dezent, aber wirksam bebildert, darunter ein Falter in einer Blutlache als aufwühlendes Omen und Symbol.
Legen die gemeinsamen Recherchen einerseits Schulden bei Mafiosi frei und geben dem in der Normalität des Hier und Jetzt verwurzelten Film das Flair existenzieller wirtschaftlicher Daseinsängste, reicht die Zwangslage viel tiefer. Sie umfasst düstere Kapitel wie Doppelgänger, Totgeburten, psychische Störungen und rätselhafte Taten diverser Identitäten einer Person, die ihre widrige Vergangenheit immer wieder säubern musste.
Neben dem bedrückenden Umstand, dass Menschen einfach verschwinden können, ohne dass es andere kümmert – dies weist auf Vereinsamung und Auseinanderreißen des sozialen Zusammenhalts hin – steht die bange Frage, wer diese Frau eigentlich ist, der man vertraute. Unentwegt nagende Gedankengänge, wo sie ist und weshalb sie fortging, haben etwas fundamental, allgemeingültig Beunruhigendes, das viel Suspense entfacht.
Die Kriminalmystery verzichtet fast ganz auf gängige Genre-Ingredienzen à la Korea. Die Abwesenheit von Blut, Brutalität und Bastarden erlaubt es den starken Akteuren, sehr nahegehend Gefühlszustände zu vermitteln. Dass die Verlobten so tief bewegen, ermöglicht aber auch die Leistung von Regisseurin Byun, die zwischen Stalking und Serienmord-Touch ganz feinsinnig die tiefe Tragik vom Ende einer Beziehung auslotet.
Nicht die Thrill-Elemente, sondern das Drama steht im Vordergrund, ein wenig wie in der Marc-Behm-Verfilmung „Eye of the Beholder“: Wie eine Liebe zerbricht, wie im Vertrauten das absolut Fremde lauert, eine unsagbar kränkende Täuschung. Wenn Moon-ho die herzbrechende Wahrheit erfährt und zu begreifen versucht, was man nicht begreifen kann, dann überwältigt dieses Konvolut aus Schmerz, Trauer, Liebe und Verlust einfach.