Kinostart: 08.05.2014
Auf Budget, Narration und Dialog verzichtet der fachkundige Lorenzo Bianchini, der sich mit „Occhi“ bereits als Nachwuchshoffnung empfahl, fast ganz und entkernt damit eine klassische Geistergeschichte derart, dass sie mit minimalistischer Methodik und erstaunlichem Gespür für eine unbehaust-düstere Atmosphäre zu einem psychisch zersetzenden „Into the Wild“ wird, der sich zum schaurigen „Blair Witch Project“ steigert.
Found-Footage-Aufnahmen setzt Bianchini (trotz Namensähnlichkeit mit Andrea „Zombi 3“ Bianchi kein Trash-Filmer) nur sporadisch ein, darunter unheimliche Schwarzweißfilm der Geisterzwillinge, die nie älter wurden, schrien anstatt zu sprechen und nach einem verheerenden Brand im Zweiten Weltkrieg immer noch die Ruinen eines längst verfallenen Dorfes in der Wildnis heimsuchen, in die ein glückloser Verhaltensforscher eindringt.
Bianchini knüpft an die seit Ende der 80er Jahre brach liegende Tradition des italienischen Horrorkintopps an, geht aber mit dezidiert eigener Ästhetik neue Wege zwischen Genre, Arthaus und Experimentalfilm. Sein oft auf stimmungsvoll monochrome Impressionen menschenverlassener Wälder, in denen Tod und Bedrohung hausen, reduziertes Werk gemahnt weniger an Argento und Bava, denn Pupi Avati und den finnischen „Sauna“.
So faszinierend wie letzterer ist sein Ein-Personen-Stück zwar nicht, Bianchini versteht es aber, die dialoglose Isolation als beklemmende Natureinsamkeit und Schattenkampf gegen die psychische Zersetzung spannend zu gestalten. Und vor allem mit einem schleichenden Grauen zu versehen, dass durch die verrotteten und undichten Wände dringt und das Unbehagen einer Schlechtwetterperiode unaufhaltsam ausbreitet.
Die Legende der Geistermädchen ist etwas zu knapp, aber ihr sparsam eingesetzter Sirenengesang (respektive ihre Schreie) in Kombination mit gespenstisch Sounds bieten genau das Maß an gehobener Könnerschaft und eigenständiger Herangehensweise an eine Schauergeschichte, um nachhaltig aufs Gemüt zu schlagen und sich mit seiner nüchtern asketischen Gestaltung konsequent ins Furchteinflößende zu schrauben.
Als Vorfilm läuft der irische 15-Minüter „Foxes“ von Lorcan Finnegan, in dem sich eine Frau in eine Fähe verwandelt. Vom Setting und Stil passt er ideal zu Bianchinis Arbeit: Er spielt in einer langsam verwildernden suburbanen Siedlung und hat den gleichen verunsichernden übernatürlichen Einschlag, eine beängstigend-ungeheure Geschichte des Unbegreiflichen, düster kafkaesk, von Entfremdung und animalischen Kräften geprägt.
Ein Gedanke zu „Across the River“