2011 wurde Oh Sung-Yoons Kindertrickfilm zur erfolgreichsten Animation im südkoreanischen Kino. Er basiert auf dem 2000 veröffentlichten Bestseller „The Hen Who Wanted to Fly“ von Hwang Sun-mi, erschien 2012 weitgehend unbemerkt bei uns auf DVD und erhielt letzten Monat einen neu synchronisierten Release in englischsprachigen Territorien. Dort heißt Liefi nun Daisy, sollte aber nach wie vor die ganze Familie rühren.
Der relativ schlichte Zeichenstil erfüllt nicht die Standards, die man vom abendländischen Perfektionismus der Disney/Pixar-Liga oder den japanischen Animes des Studio Ghibli gewohnt ist. Aber so abstrakt die technischen Qualitäten sind, so sehr überzeugen Liefis Emotionen und die eigene Perspektive. Kitschfrei, bewegend, offen und ungeschönt handelt Oh leichtgewichtig Erwachsenenthemen in seinem Kinderfilm ab.
Es mag eine einfache Mär sein, aber sie ist liebenswert und hinter ihrer unverblümten Direktheit auch komplex. Süß und traurig gestaltet sich der Lebensweg eines Huhns, das seiner kümmerlichen Gefangenschaft in einer Legebatterie (ein rotes Stopsignal für unethische Massentierhaltung) mit Not entkommt und nun zwar Schrecken und Gefahren der Freiheit ausgesetzt ist, aber endlich die Sonne sieht und die Natur spüren darf.
Weder die frenetischen Actionspäße, mit denen die Kiddies heutzutage zugedröhnt werden, noch die elaborierte Comedy eines „Hennen rennen“ haben hier Platz, auch wenn das Abenteuer ebenfalls mit Action und Humor aufwartet. Doch die speisen sich aus der schwierigen Anpassung an das Wildleben in den Sümpfen, wo die kleine, aber angstfreie Liefi wenig Helfer hat und viel Ablehnung erfährt. Und dennoch nie aufgibt.
Als sie das Küken ihres Retters ausbrütet und damit eine Ente großzieht, schlägt ihr der Verdruss und die überwiegende Intoleranz des Tierreichs entgegen, das Rassenschande wittert. Doch die Liebe dieser Adoptivmutter gegen die „Gesetze der Natur“ ist so groß wie ihr Herz und ihre Treue. Wie sich die alleinerziehende Außenseiterin gegen alle Widerstände durchschlägt, bedingt Tränen, ist aber auch witzig und einfallsreich.
Vergleichbar mit „Ame & Yuki“ zieht diese Mutter Courage, der man alles gönnen möchte, ein Küken groß, das eines Tages fortfliegt. In Anlehnung an Selma Lagerlöfs „Nils Holgersson“ (dem Flug der Wildgänse) wird es melodramatisch, nachdem das Vorbild Liefi gegen jede Wahrscheinlichkeit ihrem Traum fast ganz allein gefolgt ist. Denn nicht nur der Bauernhof und seine herzlos-egoistischen Tiere bleiben ein grauenhaftes Gefängnis.
Sondern auch das hassverzerrte Wiesel, das sich ebenfalls als Mutter erweist, das seinen Nachwuchs durchbringen muss. Dann lehrt eine teils bizarr asiatisch anmutende Gefieder-Fabel (das Enten-Quartett!) den Zauber der Natur und was der „great circle of life“ („König der Löwen“) wirklich bedeutet: Ein Selbstopfer für den Nahrungskreislauf, was ein „Bambi“-Moment beschwört, bei dem man fassungslos (und dankbar) heult.
Wer denkt sich bloß solche Titel aus?