Harms

Authentisch, direkt, hart: deutscher Indie-Thriller zwischen spannendem Heist-Movie und melancholischem Film Noir.

Harms Cover

Nikolai Müllerschön, D 2013
Kinostart: 12.06.2014
Story: 16 Jahre saß der knallharte Kriminelle Harms dafür ein, dass er Wort gehalten hatte. Kaum in Freiheit, bietet ihm ein ruheständischer Vorstand die Aussicht auf 100 Millionen Euro für einen Einbruch in die Bundesbank. Mit alten Gefährten plant Harms die Aktion, doch er wittert zurecht ein falsches Spiel.
Von Max Renn

Nikolai Müllerschön ist seit 30 Jahren im Regiegeschäft und Könner von Crime-Thrillern (oft fürs Fernsehen), auch wenn er 2007 mit dem aufwändigen Fliegerabenteuer „Der Rote Baron“ vollversagte. Wie sehr es ihn befreit, auf Budget und Filmförderung zu verzichten, beweist er imposant, stilsicher, aber nicht stilisiert, mit einer so brutalen wie fesselnden Genre-Ballade von internationalem Rang.

Das ganz eigenständige, ausgereifte Werk schlägt mit klarer Kante und ästhetischer Kargheit nahe am Dokumentarischen seine Kerbe weitab von braver TV-Ware, Studentenfilmen und Kinoroutinen. Am ehesten erinnert das Garn über alte, harte Männer an Thomas Arslan (wenn auch weniger arthausig) und Roland Klick (nur düsterer und actionärmer): Schroff, rüde, nüchtern, griffig, mit kühlen Bildern einer freudlosen Sozialrealität.

Verbrechervisagen, Milieu und Jargon sind echt

Die Typen sind üble Verbrechervisagen, ihr Milieu reicht von der Kiezkneipe zum Hartz-IV-Wohnsilo, der Jargon ist ungeschminkt echt, ihre Art vulgär, aber vor allem sind ihre Charaktere stark wie die Schauspielerleistungen: In erster Linie Heiner Lauterbach als wortkarger Harms, der mit seinem Ion-Țiriac-Bart derb hinlangt, wenn es sein muss, dessen Tränentattoo unter dem Auge aber auf erhebliche Regungen hinweist.

Ein vollkommener, verlässlicher, erfahrener Profi, der von seinem Auftraggeber betrogen und seiner Liebe verraten wird, was Müllerschön ohne jede Sentimentalität erwirkt. Weshalb es berührt und bestürzt, wenn am Ende alle wie die Fliegen sterben. Denn auch seine Kumpel sind kleine, arme Würstchen, die weg von der Tristesse des sozialen Rands zu einem Platz an der Sonne wollen. Gier besiegt Misstrauen – ihr Todesurteil.

Schnörkellos-spannend angerichtetes Genrewerk

Die Hoffnung auf eine fette Ruhestandsfinanzierung wird zerschossen. Darauf weisen bereits grobe Gewaltausbrüche hin, mit denen Müllerschön erfreulich untypisch deutsch auf Nahkämpfe und Schusswaffengebrauch setzt. Sein schnörkellos-spannend angerichtetes Genrewerk (das Gegenteil zu „Stereo“) vermittelt nicht nur bei Heist-Vorbereitung und Überfall nervliche Anspannung, Timing und Präzision mit nachhaltiger Intensität.

Ein von Jules Kalmbachers düster hallendem Elektroscore verstärkter Rhythmus, der Träume von Glück und Liebe zu einem frappierenden Film Noir verblüffend verstärkt. Rohes Gangsterkino, das nicht nur einen minutiösen Raub tödlich aus dem Ruder laufen lässt, sondern mit glaubhaften Figuren (André Hennicke, Axel Prahl, Martin Brambach, Valentina Sauca) dafür Sorge trägt, dass ihr Schicksal etwas bedeutet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.