DVD/BD-Start: 26.11.2014
Der besonders krasse Fall eines amerikanischen Justizirrtums sind die „West Memphis Three“, drei Jugendliche aus Arkansas, die für angebliche Ritualmorde an drei Kindern 1993 fast zwei Jahrzehnte unschuldig in Haft (teilweise in der Todeszelle) saßen. Dass sie schließlich frei kamen, erwirkte die „Paradise Lost“-Trilogie, eine oscarnominierte HBO-Langzeitdokumentation, deren Recherchen zur Wiederaufnahme des Verfahrens führten. Der langandauernder Kampf gegen die Unrechtsjustiz der Südstaaten ist naturgemäß ein packend-idealer Filmstoff.
Doch Atom Egoyan verknotet sich teuflisch zu einer faden Teilnahmslosigkeit, die mal Whodunit-Krimi, mal Gerichtsdrama, mal Gesellschaftsporträt, mal psychologische Privatlebenstudie und mal Wahrheitssuche-Thriller ist. Aber nichts davon richtig. Als Ansatz wählt er neutral-zweifelnd statt mitreißend-engagiert, was trotz einer knackigen Charakterstarbesetzung – der Brite (!) Colin Firth („The King’s Speech“) als Privatdetektiv, die klassische Südstaatenblondine Reese Witherspoon („Walk the Line“, „Mud“) als trauernde White-Trash-Mutter, ferner Bruce Greenwood, Elias Koteas und Alessandro Nivola – für eingeschlafene Füße sorgt.
Egoyan arrangiert das zu nüchtern, um mehr als nur punktuell Empathie zu entwickeln oder die tragischen Dimensionen zu ermessen. Mehr interessiert ihn in seinem immerhin passablen Werk die Americana über frömmelnde Interlorante, über eine Hexenjagd auf Sündenböcke, über eklatante Polizeischlamperei, Beweisunterschlagungen, Falschaussagen und die Unlust, den wahren Täter zu ermitteln. Was auch die guten Darsteller nicht wirklich aufregend gestalten können, weil Egoyan weit hinter seinen eigenen Möglichkeiten aus „Das süße Jenseits“ zurückbleibt, oder gar das Niveau eines „Prisoners“ erreicht. Jeder Südstaatenkrimi wie Taverniers „In the Electric Mist“ fällt da attraktiver aus.