Kinostart: 14.08.2014, DVD/BD-Start: 15.01.2015
Was „12 Years a Slave“ als naturalistisch-direkte, kaum erträgliche Brutalitätserfahrung abhandelte, dem widmet sich der zweite Film der britisch-ghanaischen Regisseurin Amma Asante („A Way of Life“) als scharfsichtiges Gesellschaftsdrama, das die Formeln des Jane-Austen-Kostümdramas schlau nutzt, um daraus ein unbedingt bewegendes Erlebnis zu Frauen- und Menschenrechten, Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei zu gestalten.
Wähnt man sich im gewohnten Austenland von „Stolz und Vorurteil“, das als exquisites Period Piece wohlkostümiert Heiratsmarkt und Leidenschaften nach den Gepflogenheiten eines Women’s Weepie bietet, ist die höfische Manier bei Asante nur das konventionelle Gewand, um subversiv und unerschrocken Aufklärung zu betreiben und einige unschöne Erkenntnisse über das England des 18. Jahrhunderts mitzuteilen.
Dass sie es dennoch schafft, mit einem seufzenden Melodram der gefühlsechten Sorte direkt und glaubhaft in die damaligen Problemzonen vorzudringen, wo Sklaven keine Menschen und Frauen nur Besitz sind, wo Klasse und Rasse statt Charakter und Fähigkeiten über alles entscheiden, ist Verdienst der sensiblen Regie sowie der britisch-nigerianischen Autorin Misan Sagay und ihres differenzierten Scripts.
Und dem vorzüglichen Ensemble, u.a. Tom Wilkinson und Emily Watson als Zieheltern, besonders aber der britisch-südafrikanischen Aktrice Gugu Mbatha-Raw („Odd Thomas“) als innerlich zerrissene historische Figur. Denn dies basiert wie Steve McQueens Oscargewinner auf einem wahren Leben. Didos Gemälde an Seite ihrer eng verbundenen, schwesterlichen Cousine (Sarah Gadon, „Enemy“) hängt noch heute im Scone Palace.
Ebenfalls aktenkundig ist das Zong Massaker, bei dem über 140 Sklaven im Meer ertränkt wurden, um ihre Versicherungssumme einzustreichen. Dieser Hintergrund, wo Menschen als Handelsgut tot mehr wert als lebendig sind, wo Sklaverei das ökonomische Rückgrat des Empires und seiner barbarischen Methoden ist, wo Gesetz und Recht nichts mit Gerechtigkeit, sondern Macht zu tun haben, drängt nach und nach ins Zentrum.
Vom Verbrechen, als Negerin geboren zu sein: Gewiss, „Lord Mansfields berüchtigte Mulattin“ leidet von Beginn daran, wie ein schmutziges Geheimnis versteckt zu werden, gebildet und vermögend zu sein und sozial verachtet zu werden, speziell von einem Adelsspross („Harry Potter“-Draco Tom Felton spielt wieder den rassistischen Mistkerl – aber er kann das auch richtig gut), der ihre Schwester freit und dann als mittellos abstößt.
Doch „Belle“ hat auch deshalb lange das trügerische Flair eines Frauenfilms, weil Dido qua Erziehung mehr Vorurteile im Kopf hat als andere und sich in einem genau ausgearbeiteten Coming of Age von dieser kranken Weltsicht emanzipieren muss. Der junge Advokat John (Sam Reid, „The Railway Man“) bringt mit seiner Abolitionismus-Agenda nicht nur ihren Verstand in Gang, sondern weckt auch ihre Leidenschaften für ihn.
Vordergründig geht es nur darum, ob eine Frau zwischen zwei Männern gesellschaftlichen Zwängen oder ihrem Herzen folgen soll. Aber hinter all der Kultiviertheit verbirgt sich Intoleranz und die Weigerung vieler, andere als Menschen zu sehen, womit in geschliffen-scharfzüngigen Dialogen der hintergründige Hass einer erheblich verlogenen Welt hervortreten, zuweilen mit treffsicherem Spott und Humor auf den Punkt gebracht.
Asante schafft es mit einem wohltuend altmodischen Stil auf romantische wie humanistische Art feinfühlig zu rühren, Komik und Ernst der Situationen zu erfassen, leise traurige Miniaturen über gebrochene Herzen bis in kleinere, sehr menschliche Nebenfiguren hinein zu finden, die Schranken, aber auch den Wandel im Denken zu beschreiben. Die Charaktere entwickeln sich im Laufe der Zeit wie in einem Bildungsroman.
Das unermüdliche Engagement für Menschenrechte beeindruckt und findet in Form eines traumhaften Märchenendes, wo das richtungsweisende Urteil von Didos Richter-Onkel ansteht, der Massenmord und Sklavenhandel beenden könnte, zum überwältigenden Höhepunkt einer geschickten Geschichtsstunde, in der zwei Seelenverwandte ihre Freiheit erlangen. Und das viel emotionaler und müheloser als in „Amistad“ & Co.