Die große Versuchung

Verschmitzt-vergnügliche bis betulich-brave Culture-Clash-Komödie, die ihren Schildbürgerstreich als Sozialmärchen aufzieht.

Die große Versuchung Cover

The Grand Seduction, Don McKellar, CA 2013
Kinostart: 10.07.2014, DVD/BD-Start: 26.11.2014
Story: Im Inselhafen Tickle Head vor Neufundlands Küste regiert die Beschäftigungslosigkeit. Als ein Ölkonzern eine Recyclingfabrik errichten will – Bedingung: ein niedergelassener Arzt -, animiert Dorfvorsteher Murray die 120-Seelen-Gemeinde, dem jungen Dr. Lewis ein unwiderstehliches Paradies vorzulügen.
Von Jochen Plinganz

In seinen französischsprachigen Arbeiten beweist der Kanadier Ken Scott Esprit und Seele, auf englisch geht beides lost in translation – so beim eigenen Remake seines wundervollen „Starbuck“ („Der Lieferheld“). Und sogar als Drehbuchautor des Hits „Die große Verführung“ von 2003, dessen Neufassung seinem Landsmann Don McKellar (Script zu „Stadt der Blinden“) kauzig, aber kaum kantig und mithin zu glatt gerät.

Trotz irischem Touch (Küstenbild und Gefiedel) fallen Figuren und Humor harmlos statt kernig aus. Es überwiegt mildes Amüsement, auch wenn manche Sequenzen und Einfälle irre witzig sind – da werden Bruchbuden zum Weltkulturerbe deklariert, von ergrauten Damen lückenlose Stasi-Protokolle über Telefonsex erstellt, Cricket-Trikots aus Blumengardinen geschneidert. Das alles hat Charme, aber meist auch einen langen Bart.

Weichzeichnung statt Verve

Der wandlungsfähige Ire Brendan Gleeson (gerade noch ein grausamer General in „Edge of Tomorrow“) ist als urwüchsiger Dorfvorsteher authentisch, Taylor Kitsch („Lone Survivor“) als argloser Schönheitschirurg unglaubhaft gutgläubig und einfach nur hübsch. Romantik und Tragik bleiben vage Andeutungen, weshalb der emotionale Output streng begrenzt bleibt, in einem nicht nur im Märchenende zu simplen Treiben.

Man hofft vergeblich, dass McKellar mal einen Gang höher schaltet. Oder zwei. Außerdem geht er nur oberflächlich darauf ein, was Lügen bei sich und anderen anrichten. Gleiches gilt für Identitätsfragen, Gemeinsinn, Bürgerpflichten, Sozialschmarotzertum, psychische Folgen von Arbeitslosigkeit oder gar das verlogene Greenwashing von Umweltzerstörer-Multis. McKellar wendet Weichzeichnung statt Verve an.

Es überwiegt mildes Amüsement

Die moralischen und legalistischen Aspekte von Lügen und Intrigen kommen zwar vor, religiöse Facetten liegen trotz eines gewissen Anflugs sündhafter Frivolität brach. Selbst der sich aufdrängenden calvinistischen Arbeitsethik geht McKellar aus dem Weg, ihm liegen Subplots wie jener des Mannes, der kein Geldautomat sein wollte, mehr am Herzen: Ein sanftes Vergnügen, wenn auch eines der leichten und seichten Sorte.

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