Der Tod weint rote Tränen

Berauschend-exquisiter Kunst-Giallo der „Amer“-Schöpfer, die ein experimentierfreudiges, labyrinthisches Mysterium auffahren.

The Strange Colour of Your Body's Tears Cover

L’étrange couleur des larmes de ton corps, aka The Strange Colour of Your Body’s Tears, Hélène Cattet, Bruno Forzani, B/F/L 2013
DVD/BD-Start: 29.01.2015
Story: Der von einer Geschäftsreise aus Frankfurt heimkehrende Dan findet sein Brüsseler Apartment von Innen verriegelt vor. Von seiner Frau fehlt jede Spur. Hinter den Mauern des Hauses geht Merkwürdiges vor, glaubt Nachbarin Dora aus der siebten Etage, derweil Kommissar Vincentelli an Dans Tür pocht.
Von Gnaghi

So barock, wie ein formvollendetes Jugendstil-Gebäude nur sein kann, taucht das belgische Kreativteam Hélène Cattet und Bruno Forzani mehr denn je in einen reinen Rausch der Formen und Farben ein, um mit den Fetischen und Motiven des italienischen Giallo-Genres Kunst herzustellen. Ihr edel-psychedelischer, so flamboyanter wie desorientierender Stil gerät furios und längst nicht mehr so chloroformiert wie noch bei „Amer“.

Alles ist deutlich lebhafter, aktiver und abwechslungsreicher gestaltet als beim sehr episodischen Vorgänger. Natürlich darf auch hier wieder keine Einstellung normal sein, um den unbedingten Kunstanspruch zu dokumentieren. Aber die eingefrorene Stilübung, die „Amer“ so enervierend machte, weicht einer kribbeligen Getriebenheit, die sich in der Passion einzelner Vignetten ausdrückt und genussvolle Delikatessen bereitet.

Experimentierfreude und Regielust

Cattet und Forzani fahren mit Experimentierfreude und Regielust alles auf, was an optischen und ausgewählten akustischen Reizen erdenkbar ist. Variabel wechseln sie die faszinierende Buntheit der Primärfarbfilter eines Argento und Bava mit Edel-Schwarzweiß, Licht mit Finsternis, die mannigfaltigen Gestalten des Jugendstil, Gesichter und Frauenkörper ab. Splitscreens und 60er/70er-Jahre-Interieurs ergänzen die Selektion.

Darin handelt die Story, so kryptisch wie ein zerfaserter Alptraum, aus dem man auch im 20. Anlauf nicht aufwachen kann, statt von weiblicher diesmal von männlicher Sexualität. Traum, Imagination, Trugbilder, Realität und hartnäckige Halluzinationen sind wie in einem Kaleidoskop verschüttelt. Ein Meta-Giallo, der archetypische Muster des Subgenres aufgreift und in einem abgehobenen, intensiven Innuendo verewigt.

Wie in einem Kaleidoskop verschüttelt

Dies differiert von Neo-Giallos wie „Berberian Sound Studio“ und findet aus der subjektiven Perspektive eines Mannes statt (der Däne Klaus Tange, „Tage des Zorns“), der in seinem zersplitternden Geist gefangen ist. In seinen surreal-schmerzhaften Traumqualen wird er selbst explizit Opfer eigener Mordvisionen – wahre Messermassaker an seinem Leib; hinter der Wand, unter der Haut und tief im Kopf erstrahlt diese L’art pour l’art.

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