Siddharth

Traurige Sozialsymphonie um einen mittellosen Arbeitervater auf aussichtsloser Suche nach seinem verschwundenen Sohn.

Siddharth Cover

Richie Mehta, CA/IND 2013
ohne deutschen Start
Story: Reißverschlussreparateur Mahendra kann seine Familie in Delhi kaum ernähren, weshalb sein 12-jähriger Sohn Siddharth illegal in einer fernen Fabrik arbeiten muss. Als er zum Diwali-Fest nicht heimkommt und bereits seit Wochen absent ist, vermutet Mahendra eine Entführung und sucht nach ihm.
Von Thorsten Krüger

Das Delhi-Drama des in Kanada geborenen Richie Mehta („Amal“) um eine arme Familie, deren einziger Sohn unauffindbar verschollen ist, bedient sich mit seinem Handkamera-Sozialrealismus bei Satyajit Ray („Die große Stadt“) und Vittorio De Sica („Fahrraddiebe“). Weniger eine „Spurlos“-Odyssee, denn eine mit leicht sentimentalem Score unterlegte Ausführung, was Armut und Ignoranz für Kummer zur Folge haben können.

Gesellschaftliche Themen wie Kidnapping und Kinderarbeit finden sich subtil nur als Hintergrund eingeflochten, zentral muss ein Vater (wohltuend dezent: Rajesh Tailang) für seine Einstellung bezahlen, in seinem Kind nur eine Arbeitskraft zu sehen. Nun hat er um die verbleibende Tochter Angst und die still traurige Gattin (berührend: Tannishtha Chatterjee aus „Brick Lane“ und „Schatten der Zeit“) schickt ihn auf die Suche.

Sich langsam ausbreitende Verzweiflung

Diese gestaltet sich zäh und langwierig, weil dieser Mann keine moderne Technik kann und finanziell so klamm ist, dass sein Erspartes für die Reisen nicht reicht, er sich Geld von Freunden leihen oder mit erniedrigender Arbeit für die Mafia verdienen muss. Wenn er wochenlang keine Spur findet – bis sie ihm jemand per Smartphone in 0,3 Sekunden googelt, ist das ein knallharter Kommentar zu Unbildung und fehlender Organisiertheit.

Mehtas nüchterner Stil strafft nichts, man sitzt mit Mahendra in einem Trott sich langsam ausbreitender Verzweiflung, als ihm dämmert, dass er gar nichts ausrichten kann und zu dem zurückkehren muss, was er noch hat. Er wird als Bittsteller oft herzlos heruntergeputzt, von Behörden und Befragten, bis ihm plötzlich jeder bewegt auf die Schulter klopft – was genauso unplausibel ist wie die barschen Abfuhren zuvor.

Berührt fern von süßlichem Bollywood-Brimborium

Doch die bedächtigen Flächen der moderat emotionalen Musik finden zu einer Straßenpoesie im stickigen Schmutz, was statt der Action-Exploitation eines „96 Hours“ traurige Wahrheiten über Verlorene in Großstädten kund tut. Ob dies „Gottes Wille“ ist, wie Mahendras Vater meint, sei mal dahingestellt. Wenn er vergisst, wie Siddharth aussieht (auch weil er kein Foto hat), berührt es fern von süßlichem Bollywood-Brimborium.

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