The War Around Us

22 Tage Krieg: Zwei Reporter schildern schonungslos ehrlich, wie sie das menschliche Leid der Zivilbevölkerung in Gaza erlebten.

The War Around Us Cover

Abdallah Omeish, USA 2014
ohne deutschen Start
Story: Im November 2008, als die Welt gerade mit der Finanzkrise beschäftigt ist, erschüttern israelische Luftangriffe den Gazastreifen. Lediglich die beiden CNN-Reporter Ayman Mohyeldin und Sherine Tadros sind zufällig vor Ort und berichten trotz Nachrichtensperren von Bombardements auf Wohngebiete und UN-Gebäude.
Von Jochen Plinganz

Der Anlass könnte nicht aktueller sein: All die Zerstörung, die Abdallah Omeish, Co-Realisator der HBO-Mini-Serie „Augenzeugen“, in seiner Doku über die Erfahrungen der beiden damaligen CNN-Reporter zeigt, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was sich dort momentan abspielt. Der US-Ägypter Ayman Mohyeldin und seine damals neue, britische Kollegin Sherine Tadros legen offen persönliches Zeugnis blanken Grauens ab.

In separaten Interviews kommentieren sie die kurzen News-Ausschnitte und das viele unveröffentlichte Material, das naturgemäß pixelig-unscharf ist. Daraus ergibt sich ein Schreckensbild, das nur Israels Staatsterror aus Sicht der Palästinenser zeigt, nicht aber die Raketenattacken Militanter. Es ist subjektives Erleben und doch unerschütterliche Realität. Beide beziehen klar Position: Nicht für eine Seite, sondern für die Menschlichkeit.

Bilder, die tief treffen

Schon unter normalen Umständen ist ein menschenwürdiges Leben in dem schmalen Küstenstreifen unmöglich. 1,8 Millionen Menschen drängen sich hier, ohne Infrastruktur, durch ein Embargo von Rohstoffen abgeschnitten. Aus eigener Perspektive schildern die beiden sehr bewegt ihre Gefühle, wenn sie im Ground Zero von Hausruinen Tote und Verschüttete finden. Es sind rasche Bilder, die tief treffen. Omeish montiert effektiv.

Konfliktursachen bleiben unerwähnt, auch wenn deutlich wird, wie Hamas und Israel ihren Konflikt auf dem Rücken der in Geiselhaft genommenen Zivilbevölkerung austragen. Der Rest der Welt, auch die arabische, hat sich von den Palästinensern abgewandt. Sie sind ein gottverlassenes Volk. Ein weitgehend wehrloser David gegen einen hochgerüsteten Goliath, der mit F-16-Kampfjets rund um die Uhr schwere Bombenangriffe fliegt.

Lässt das Ausmaß emotional genau begreifen

Von den donnernden Detonationen in belebten Stadtgebieten sind die Reporter geschockt, der Geruch von Blut, Tod und Angst ist Stress-Situation und Extremerfahrung, die ihnen an die Nieren geht – obwohl sie nur weniger Tage vor Ort sind und sich fragen, was die Bewohner dort ein Leben lang erdulden müssen. Da brechen Väter vor ihren toten, verstümmelten Kindern zusammen, derweil die Blockade eine Krankenversorgung verhindert.

Es ist ein Aufschrei in Bildern, der das Ausmaß emotional genau begreifen lässt: Wie es ist, seine Kinder nicht beschützen zu können, wenn das eigene Wohnhaus in Stücke fliegt. Ganz Gaza ist ein einziges Zielgebiet – jederzeit kann es jeden treffen. Diesem Psychoterror sind die gleichen Menschen wie wir alle ausgesetzt, nur, dass sie in Gaza leben, mitunter nicht zu Unrecht als größtes Konzentrationslager der Welt apostrophiert.

Konflikt auf dem Rücken der Zivilbevölkerung

Die routinierten Kriegsverbrechen, mit denen die Zivilbevölkerung massakriert wird (die nirgendwohin fliehen kann), der völkerrechtswidrige Einsatz von Brandbomben mit weißen Phosphor – all das streiten israelische Armeesprecher kalt ab. Ihre Informationssperre unterlaufen nur die beherzten Journalisten, die Frust und Wut erleben, weil man ihren Augenzeugenberichten nicht glauben will. Dabei sprechen die Aufnahmen für sich.

Auf jeden getöteten Israeli kommen gut 100 Palästinenser – ihre Menschenleben sind einfach viel weniger wert als die anderer Länder. Mohyeldin und Tadros ergreifen Partei für jene, deren Not so empörend ist. Sie wollen auf das Leid aufmerksam machen, das in der Tat eine Schande für die Menschheit ist. Ihr Appell an die Verantwortung speist sich aus der Hoffnung, mit ihrer Arbeit etwas auszulösen. Wenn sie sich da mal nicht täuschen.

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