DVD/BD-Start: 28.01.2015
Die Tränen der Lady Liberty: Eine berührend melodramatisch-traurige Perspektive auf den amerikanischen Traum und den „pursuit of happiness“ wählt der für seine New Yorker Gangsterepen („The Yards“) berühmte James Gray, Sohn russischer Einwanderer, in einem Distrikt, wo Martin Scorsese seine „Gangs of New York“ zusammenrottete. In dem sensiblen, sanft sentimentalen Drama transportieren die klasse Darsteller viele Gefühle.
Das Zeitporträt des urbanen Schmelztiegels braucht nicht den großen Scorsese-Elan, sondern konzentriert sich im dampfigen Historiengilb des für David Fincher und Jean-Pierre Jeunet arbeitenden Kameramanns Darius Khondji mit seinem Pastiche von Sepia bis Dunkelbraun auf die Charaktere. In der kniffligen Mesalliance von einer Frau zwischen zwei Männern evoziert Marion Cotillard („Inception“) wahrhaft Bewegendes.
Als von ihrem Onkel Verstoßene versucht sie aus Geldnot als Vaudeville-Tänzerin und Prostituierte, ihre Schwester auszulösen und ein Stück Menschenwürde und Glück zu finden. Cotillard bringt Mitleid und Wahrhaftigkeit hervor als leidende polnische Marienikone, als heilige Hure, um die sich Joaquin Phoenix („Gladiator“, „Her“) als ambivalenter Ausbeuter und Jeremy Renner („The Avengers“) als armer Houdini gefährlich streiten.
Die klassizistische, so tiefromantische wie stark erzählte Geschichte erinnert mit ihrer Ménage à trois streckenweise an den legendären „Kinder des Olymp“, wenn sie auch so katholisch wie Scorsese ist, was sich in Schuld und Erlösung, Leidende und Sünder äußert. Auch polnische Einflüsse von Messen, Beichten und der Hoffnung auf Errettung aller Seelen finden sich hierin, wenn Ewa unschuldig in ein Eifersuchtsdrama gezogen wird.
„Ist es eine Sünde, zu überleben zu versuchen?“ Sie sind Verdammte und doch Menschen, schon oft von (immateriellem) Gericht verurteilt, die deshalb erst recht versuchen, gut zu sein. Und wenigstens andere retten, wenn sie sich selbst nicht retten können. Eine Oscarnominierung für das Trio, besonders für Cotillard, wäre eigentlich denkbar gewesen, so nahegehend fällt diese Glaubensgeschichte an das Licht im Dunkel aus.