Jamie Marks is Dead

Übernatürliches Coming-of-Age-Drama, ein ehrlich-melancholisches Jugendporträt, das ins Homosexuelle überspielt.

Jamie Marks is Dead Cover

Carter Smith, USA 2014
ohne deutschen Start
Story: Als die halbnackte Leiche des gemobbten Außenseiters Jamie gefunden wird, interessiert das in der winterlichen Kleinstadt kaum jemanden. Nur Klassenkamerad Adam wird nachdenklich, freundet sich mit Gracie an, die den Toten fand. Und kurz darauf mit Jamie, der ihm als plastischer Geist erscheint.
Von Thorsten Krüger

Carter Smith vollzieht eine 180-Grad-Wende von seinem blutigen Trip zu den fleischfressenden Maya-Pflanzen von „The Ruins“, bleibt aber dem Übernatürlichen verbunden. Ein zu Lebzeiten Unsichtbarer, erst als Geist Wahrgenommener (wie Daniel Radcliffe als Leiche: Noah Silver aus „Tyrant“), bereichert als Erscheinung das Coming of Age von Adam (Cameron Monaghan, „The Giver“) um allegorische Phantastik.

Die Adaption von Christopher Barzaks gefeiertem Romandebüt von 2008, „One for Sorrow“, weigert sich, die Konventionen von Geisterhorror und Murder Mystery, wie eines Lynchschen „Twin Peaks“, zu bedienen und entwickelt sich etwas gemächlich als Jugendporträt auf Augenhöhe. Es entschlüsselt in der windig-kargen Winterkälte Ohios von Beziehungen unter Teenagern untereinander und zu (abwesenden) Erwachsenen.

Ménage à trois mit Geist

In manchem Detail etwas unscharf und überzeichnet (Liv Tyler als von ihrer besten Freundin rollstuhlreif angefahrene Mutter), dann wieder subtil und sensibel, verströmt diese Indie-Meditation eine ausgereifte Faszination und ein ungastliches Flair. Mithin das, was Adam fühlt. Der wendet sich in seiner rebellischen Phase auch von der schrullenhaften Gracie ab, bis der sanfte Jamie der einzige Freund bleibt, der ihm zuhört.

Dass er mit ihm durchbrennt, induziert Grenzübertritte in mehrfacher Hinsicht: sozial, geschlechtlich, übernatürlich. Während Adam von Verständnislosen ausgegrenzt wird, erforscht Smith die seltsamen Wege und Arten, Gefühle – speziell Zuneigung – auszudrücken. Es geht um machtvolle Worte, die man sich ins Ohr flüstert in einer kleinen Ménage à trois mit Geist, die alle Unsicherheiten Heranwachsender aufgreift.

Erlösung und Abschiednehmen

Mitunter bleibt Smith etwas unentschlossen, wählt aber keine sphärischen Schrecken, sondern ein friedfertiges, metaphysisches Symbol, das die Wärme und Liebe sucht, die ihm als Mensch nie zuteil wurde. Was mehr als nur homoerotisch angehaucht ist, aber vorwiegend auf Erlösung und Abschiednehmen aus ist, während die (heterosexuelle) Beziehung erhalten bleibt. Ein Coming of Age über die Trennung von Leben und Tod.

2 thoughts on “Jamie Marks is Dead”

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